Österreich ist eine Industrienation und gerade dort erfolgreich, wo besonders innovative Lösungen gefragt sind. Wer ein technisches Studium und einige praktische Erfahrungen mitbringt hat ausgezeichnete Karrierechancen – zumal die Unternehmen händeringend nach gut ausgebildetem Nachwuchs suchen.

Wer das Land mit einem Reiseführer in der Hand besucht, mag auf den ersten Blick einen anderen Eindruck bekommen – aber Österreich ist eine Industrienation. Der Anteil des Industriesektors am österreichischen Bruttoinlandsprodukt  (BIP) betrug 2018 28,5 Prozent. Damit ist der Anteil höher als in der Europäischen Union (2017: 25,1 Prozent) und liegt zum Beispiel nur zwei Prozent hinter Deutschland und deutlich vor Ländern wie Frankreich, Großbritannien oder Italien. „2016 erwirtschafteten die rund 3.500 Industrieunternehmen rund ein Viertel der gesamten Bruttowertschöpfung sowie 37 Prozent des Produktionswerts der gewerblichen Wirtschaft“, betont Andreas Mörk, Geschäftsführer der Bundessparte Industrie der Wirtschaftskammer Österreich (WKO).

Sowohl beim Produktionswert (plus 6,4 Prozent) als auch bei den Auftragseingängen (plus 7,5 Prozent) freuten sich die Industriebranchen im ersten Halbjahr 2018  wie schon im Vorjahr fast durchgängig über einen Aufschwung. Die österreichische Industrie ist nach einigen Jahren der Stagnation wieder auf Wachstumskurs. In der Fahrzeugindustrie fiel die Wachstumsrate bei den Auftragseingängen sogar zweistellig aus. Mit einer Exportquote von 64 Prozent sind die in der Wirtschaftskammer Österreich organisierten Industriebetriebe auch international stark vernetzt.

„Die österreichische Industrie ist traditionell in Nischen sehr erfolgreich tätig. Besonders in Bereichen wie Digitalisierung, Technologien für Energieeffizienz, Embedded Software, Mobilität, Steuerung von Systemen (zum Beispiel Batteriesteuerung und Steuerung erneuerbarer Energien) oder Security ist sie auch global in Spitzenpositionen“, erklärt Andreas Mörk von der WKO.

60.000 Fachkräfte fehlen

Die Bedeutung der Industrie schlägt sich auch auf dem Arbeitsmarkt nieder. Mehr als 417.000 Personen  waren im ersten Halbjahr 2018 in den heimischen Industriebetrieben beschäftigt, 2,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Doch allein in der Industrie werden 60.000 Fachkräfte gesucht, stellte jüngst die Wirtschaftskammer Österreich fest. „Eine der größten – wenn nicht die größte – Herausforderungen ist, geeignetes qualifiziertes Personal zu finden. Der Bedarf an Mitarbeiterinnen mit IT- und Technik-Ausbildung wird weiter steigen“, prognostiziert Mörk.

„Die Digitalisierung schafft neue Herausforderungen in allen Bereichen der Wertschöpfungsketten“, so der WKO-Geschäftsführer weiter. „Denken Sie allein an Industrie 4.0. Entsprechend ausgebildete Fachkräfte sind in allen Ausbildungsstufen nötig, um die Herausforderungen umzusetzen und zu meistern.“ Die Auswirkungen des demografischen Wandels kommen hinzu. „In bestimmten Bereichen ist der Fachkräftemangel sehr stark zu spüren, besonders in der IT und der Elektrotechnik“, stellt Astrid Bonin fest, Personalreferentin in der Wiener Niederlassung des Ingenieurdienstleisters Ferchau Engineering.

Gute Aussichten

Absolventen technischer Studiengänge haben also gute Aussichten auf einen attraktiven Einstieg in der Industrie. Aufgaben gibt es genügend – und spannender könnten die Zeiten für Ingenieure kaum sein. Astrid Bonin bestätigt das: „Auf Ingenieure warten in den Projekten viel Abwechslung und die Herausforderung, zukünftige technische Trends mitzugestalten und zu entwickeln. Das ist gerade für Absolventen besonders reizvoll.“

Ferchau Engineering unterstützt als Personaldienstleister Unternehmen bei ihren Projekten durch den Einsatz von Technik- und IT-Spezialisten. Entsprechend gut kennt Personalexpertin Bonin den Bedarf der Betriebe: „Prinzipiell wird in allen technischen Bereichen nach qualifizierten Fachkräften gesucht, ob im Maschinenbau, der Elektrotechnik oder der Informationstechnologie. Am größten ist aktuell die Nachfrage im Bereich Softwareentwicklung und Elektrotechnik/Elektronik.“

Digitalisierung und Automatisierung

Das gilt auch für den Maschinenbau. Unternehmen müssen in ihre Produktionsstätten investieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Megatrends zur Digitalisierung und Automatisierung der Fertigung lassen die Nachfrage nach Industrierobotern und Automatisierungstechnik kräftig steigen. Laut einer Deloitte-Umfrage  plant jedes zweite Unternehmen künftig eine verstärkte Automatisierung durch Roboter. Weder hoch innovative Branchen wie die Elektroindustrie, die Medizin- oder die Energietechnik noch die Lebensmitteltechnologie oder die Skiproduktion kommen ohne die Hightech-Produkte der Maschinenbauunternehmen aus. Kein Wunder, dass sich die Branche als Jobmotor und Innovationstreiber der Industrie in Österreich versteht. Laut dem Fachverband Metalltechnische Industrie  werden hier 30 Prozent der industriellen Arbeitsplätze geschaffen und 1,6 Milliarden Euro im Jahr in die Forschung und Entwicklung investiert.

Der Fachkräftemangel bremst speziell die Hightech-Industrie
Österreichs

Wer hier einsteigen möchte, sollte sich an den Schnittstellen der zusammenwachsenden Technologien bereits auskennen. Zum erforderlichen Know-how moderner Maschinenbauingenieure gehören vernetztes Denken und Kenntnisse aus den Bereichen IT und Elektronik. Vom früheren Karohemd-Image bleibt da nichts mehr übrig.

Rasante Entwicklung in der Automobilwirtschaft

Die Automobilindustrie und ihre Zulieferer erleben ebenfalls, in welch rasantem Tempo sich eine Branche verändern kann. Fast 72.000 Beschäftigte in Österreich erwirtschafteten 2017 knapp 15 Milliarden Euro. Um innovative Projekte zu ermöglichen, müssen Hersteller und ihre Ingenieure sich auch länderübergreifend vernetzen. Das gilt etwa im Bereich E-Mobilität für die Entwicklung von Batterien, die die erforderliche Leistung, Reichweite, Lebensdauer und Sicherheit gewährleisten, aber auch für den Ausbau einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur. Die Digitalisierung fordert die Ingenieure bei der Entwicklung intelligenter Fahrassistenzsysteme und dem Zukunftstrend autonomes Fahren.

Gerade die Automobilwirtschaft sucht den Kontakt zu Hochschulen. Die intensive Kooperation trägt dazu bei, der Branche das erforderliche Know-how zu sichern. Automotive-Cluster, in denen Unternehmen und Forschungsinstitute zusammenarbeiten, sind ein weiteres Beispiel.

Bauindustrie wächst

Die Bauwirtschaft freute sich in den vergangenen Jahren ebenfalls über teils kräftige Umsatzzuwächse, vor allem im Wohnungsbau. Auch hier gilt: Aufgrund des Baubooms haben viele Unternehmen Probleme, neue Arbeitskräfte zu finden. Eine Erhebung des Magazins „Bau & Immobilien Report“ ergab, dass die Zahl der Mitarbeiter in Unternehmen der Bau- und Immobilienbranche in den vergangenen vier Jahren deutlich angestiegen ist, und zwar über alle Hierarchieebenen hinweg. So legte die Zahl der Beschäftigten im technischen Bereich um 15 Prozent zu, in der Führungsebene sogar um fast 42 Prozent. Das spricht für gute Aussichten für künftige Ingenieurkonsulenten und Architekten, speziell für Absolventinnen. Denn die Erhebung ergab auch, dass Frauen in der Bauwirtschaft noch stärker unterrepräsentiert sind als in anderen technischen und naturwissenschaftlichen Branchen.

Typisch für die Baubranche ist die Arbeit in Projektteams. Entsprechend gefragt sind neben Fachwissen Kommunikationsfähigkeit und Einfühlungsvermögen, um bautechnische Themen verständlich vermitteln zu können. Sicherheit im Umgang mit IT gehört rund um den Bau schon lange dazu, etwa beim Einsatz von CAD-Programmen oder IT-gestützten Planungsverfahren.

Studierende frühzeitig binden

Der Fachkräftemangel bremst speziell die Hightech-Industrie Österreichs, erklärt Industrie-Experte Andreas Mörk: „Fast alle Unternehmen müssen weltweit nach Arbeitskräften suchen, da es in Österreich viel zu wenige Absolventen der technischen Fächer gibt. Vor allem in industrieintensiven Bundesländern wie Tirol oder Vorarlberg ist der Fachkräftebedarf hoch. Bei einer Umfrage gaben 68 Prozent der Industrieunternehmer an, es fehlten vor allem Fachkräfte mit Lehrabschlüssen, 43 Prozent hatten Schwierigkeiten, HTL-Absolventen zu finden.“

Industrieunternehmen sollten Absolventen technischer Studienrichtungen frühzeitig gewinnen und an sich binden, rät Andreas Mörk, etwa durch verstärkte Kommunikation und Kooperationsprogramme mit Universitäten und Fachhochschulen, Dissertationen im Unternehmen, Stiftungsprofessuren oder Karrieremessen. „Beide Seiten müssen aufeinander zugehen. Gerade kleinere Unternehmen sind häufig auf ihre operative Tätigkeit fokussiert und können sich dieser Aufgabe nur eingeschränkt widmen“, weiß der Geschäftsführer der Wirtschaftskammer Österreich.

Die österreichische Industrie ist traditionell in Nischen sehr
erfolgreich tätig.

Mitbringen sollten Berufseinsteiger Erfahrungen aus einschlägigen Praktika oder Tätigkeiten als Werkstudenten, betont Astrid Bonin von Ferchau. „Absolventen ohne Berufserfahrungen finden definitiv schwerer einen Job – ganz gleich, welches Studium sie gewählt haben.“

Neue Anforderungen

Generell hat sich das Bild von Ingenieuren gewandelt, auch in der Öffentlichkeit. Erwartet wird immer noch Forschergeist, Innovationswille und die Fähigkeit, effiziente Lösungen für technische Probleme zu entwickeln. Aber der Lebenszyklus der Produkte hat sich enorm verkürzt, technische Brillanz allein reicht deshalb nicht mehr aus. Ingenieure müssen heute mehr denn je auch interdisziplinär und marktorientiert denken und Ideen schnell umsetzen können, um Produkte erfolgreich auf den Markt bringen zu können. Damit dies weltweit gelingt, sind außerdem Fremdsprachenkenntnisse und interkulturelles Verständnis gefragt.

„Offenheit, Kommunikationsstärke und Flexibilität sind heute zentrale Qualitäten von Ingenieurabsolventen“, erklärt Astrid Bonin, „und die Bereitschaft, sich permanent weiterzuentwickeln. Gerade die Hightech-Branchen erleben rasante Veränderungen. Hier kommt es darauf an, sich ständig neue Kenntnisse anzueignen, da das vorhandene Wissen möglicherweise schnell veraltet ist.“ Verantwortlich und nachhaltig zu handeln, ist eine weitere wichtige Anforderung. Denn mit möglichen negativen Folgen ihrer Entwicklungen werden Ingenieure heute viel stärker identifiziert als früher – der Abgasskandal in der Automobilindustrie lässt grüßen.

Text: Heinz Peter Krieger

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