Anlässlich zu seinem Konzert im Wiener FLEX haben wir BOSSE zum Interview getroffen. Sonnenschein, Praterallee. „Sehr fein“ würde Bosse sagen.

Darf ich mit einem Thees Uhlmann Zitat beginnen?
Immer.

„Zerschmettert in Stücke im Dunkeln der Nacht“ ist ein Satz aus nem Song über Wien von Thees‘ neuer Platte. Gibt’s bei Dir irgendwas, was sich eingebrannt hat in Wien?
Also wenn ich ehrlich bin, kann ich das jetzt nicht in drei so prägnante Wörter fassen wie Herr Uhlmann, aber ich hab hier tagsüber immer so ein Sonntagsgefühl. Ich weiß gar nicht, wie ich das anders beschreiben soll. Das liegt auch daran, dass ich es hier immer sehr fein finde. Und wenn ich mich hier so durch die Stadt bewege, dann hab ich immer das Gefühl, dass alles hier total schön ist. Das hatte ich letztens in Rom oder vielleicht noch in Dresden. Dieses Altstadt-Gefühl, dass ich aus Hamburg oder Berlin gar nicht kenne.

Im Vergleich zu Berlin wirkt hier alles immer ein bisschen konserviert.
Ja, aber das darf nicht heißen, dass man hier nicht auch mal ordentlich feiern kann. Ich hab immer das Gefühl, dass es in Wien, ähnlich wie wenn man in Deutschland Richtung Süden kommt, um einiges entspannter ist. Ich weiß nicht, woran das liegt, aber wahrscheinlich ist es das Essen und die Umgebung, alles ist ein bisschen gesetzter und man kann sich’s hier sehr, sehr gut gehen lassen. Ein sehr gutes Gefühl.

Du hast vor deinem letzten Album einige Zeit in Istanbul gelebt. Was hast du aus Istanbul mitgebracht? Hat es dich verändert?
Nicht so, dass ich jetzt denke, ich bin da als anderer Mensch rausgekommen. Ich bin mit meiner Tochter rüber gefahren, weil das ihr letztes Jahr im Kindergarten war und meine Frau Halbtürkin ist und sehr in der Türkei verwurzelt. Wir haben Familie da und sie hat sich einfach in der Türkei immer sehr wohl gefühlt. Als Familie konnten wir das bislang nicht so haben, außer mal 6 Wochen oder so. Sie hat da Promo für einen Film gemacht und wir waren dann insgesamt ein halbes Jahr da. Das war schon ein komplett anderes Leben für mich, weil ich Deutschland und meine Musik hinter mir gelassen und mich richtig reingestürzt habe. Am Anfang fand ich das echt anstrengend, also anstrengender wie Tokio zum Beispiel. Und auch Berlin ist dagegen ne Maus. Wir haben gleich an der İstiklal gewohnt und ich hatte da das Gefühl, dass 24 Stunden lang nur junge Menschen unterwegs sind, die haben nen krassen Altersdurchschnitt. Da ist man vielleicht 25 oder 26 und alle Leute, die ich da kennengelernt habe, haben gerade etwas neues angefangen. Also nen Laden aufgemacht oder ein Theaterstück geschrieben. Ich hatte das Gefühl, am Anfang von irgendwas beteiligt gewesen zu sein, wobei das da schon seit Jahren so ist. Das habe ich weder in Berlin oder Hamburg. Musikalisch hat es mich verändert, weil die Leute da ganz anders Musik machen. So wie ein HipHopper anders Musik schreibt und andere Beats baut, so haben mir die Instrumente, und wie anders man sie spielt, die Augen geöffnet und mir geholfen, aus meinem musikalischem Cosmos rauszukommen.

Du hast in den 90er Jahren in einer Band (HyperChild) gespielt, Lieder wie „Schönste Zeit“ drehen sich auch um dieses Jahrzehnt. Wieviel 90er steckt im heutigen Bosse?
Ich werd schon manchmal nostalgisch, erst gestern hab ich Offspring gehört. Die fand ich früher scheisse, aber damit verbinde ich heute einfach was. Oder Run DMC, Nirvana und auch Marius Müller Westernhagen. Ich komm vom Dorf, da wurde alles immer gemischt gehört. Die Hosen und die Ärzte gab’s natürlich auch schon. Vielleicht häng ich The Police noch ein bisschen hinterher, ansonsten fand ich die 90er eher schrecklich, so musikalisch. Wenn man die heute sieht, dann tut das manchmal schon auch weh und gleichzeitig hab ich großen Respekt vor Bands, die ihr Ding jahrelang durchziehen und sich auch in hohem Alter noch die Haare hochtoupieren.

„Das wichtigste ist, dass ein Lied einen Auftrag hat“

Deine Lieder sind sehr textgewichtig. Und gleichzeitig funktioniert bei Dir die Musik ohne Text und andersrum. Arbeitest du erst am Text oder ist es die musikalische Botschaft, die du betextest?
Die Frage ist schwierig, denn es ist eine Mischung aus allem. Im Besten falle läuft es so, dass ich weiß, warum ich ein Lied schreibe. Das wichtigste ist, dass es einen Auftrag hat. Und wenn ich dann ne halbe Seite habe und mir die Gitarre nehme und es drauf passt, kann daraus ein Fluss werden. Manchmal mache ich auch Msuik und Text und schmeiße es dann wieder weg, weil’s doch nicht zusammenpasst. Die Nummern die es aber nie aufs Albums schaffen sind die, wo ich zuerst Musik habe und danach aber gar nicht weiß, warum ich die Musik gemacht habe.

Behältst du die dann auf?
Naja, ich hab so nen „Dead Ordner“ wo solche Lieder verstaut werden. Es ist einfacher, Musik auf etwas zu schreiben, dass man schon fühlt, als das im Nachhinein zu mischen. Ich hab aufgehört, mich drüber zu ärgern, aber die Wahrheit ist schon, 12 Lieder zuschreiben, die ich selbst wirklich gut finde, brauche ich echt total viel Zeit. Ich habe einen Ausschuss, der einfach nur schmerzt. Es gibt so’n paar Lieder, „Kraniche“ ist so eins oder „Wartesaal“. Da wusste ich, was ich sagen will, hab mich ans Klavier gesetzt und dann war’s fertig. Dann denk ich mir, ich hab jetzt eine Woche lang an nem Song gearbeitet, an Beats gebaut und dann alles weggeschmissen, vielleicht ist das die Belohnung dafür.

Du hast während Deiner Anfänge viel verschiedene Jobs gemacht, warst Poolboy und Roadie. Wenn du zurückblickt, was würdest du dem 16 jährigen Axel Bosse raten?
Also ich würde jungen Leuten nur ungern Tipps geben, weil ich auch ganz viel falsch gemacht habe. Gerade in der Musik. Ich hab viel zu früh mit 17 einen Plattenvertrag unterschrieben mit einer unausgegorenen Band, die wir zum Schluss alle auch blöd fanden. Und gleichzeitig war das im Nachhinein auch richtig, sonst würden wir hier wahrscheinlich nicht sitzen. Alle Fehler, die man im Nachhinein sieht und alle miesen Texte und jede MickyMaus Show die ich gemacht hab, war irgendwie gut dafür. Also ich hab vieles gemacht, aber das habe ich gerne getan. Ich hab immer geschuftet, weil ich mit meiner Musik lange Miese gemacht habe, auch weil ich eine Band hatte, die ich bezahlen musste. Da ging es nicht anders. Wenn ich Bands anschaue, bei denen das über Nacht geht, da ist das Selbstverständnis bei uns ganz anders. Wir freuen uns über solche Sachen, wie Nightliner fahren, Roadies haben oder dass wir jetzt mal Geld mit der Musik verdienen. Und wir schätzen das heute umso mehr. Wahrscheinlich auch, weil wir am Anfang nicht so den Arsch abgepudert bekommen haben.

Heute Abend spielst du im FLEX, wie geht’s dann weiter?
Also ich bleib noch bis morgen und dann flieg ich weiter nach Florenz, weil ich in Umbrien, wo ich das Album auch aufgenommen hab, jetzt die ersten Songs fürs neue Album aufnehme. Es ist jetzt einfach auch die Zeit, wo ich das Jahr merke. Ich brauch jetzt mal ne Pause und muss schlafen. Und auf der anderen Seite spüre ich, dass ich jetzt keinen Bock mehr hab, rumzuspringen, sondern wieder Lust habe, zu schreiben. Außerdem ist da jetzt Weinernte.

Hört sich nach einem genussvollen Album an!
Ich hoffe nicht. Ich fand das letzte sehr genussvoll und sehr sehr hell. Und ich hab jetzt keine Lust mehr, so’n Album zu machen. Ich habe bei den ersten Songs jetzt mal wieder die E-Gitarre genommen und hab gemerkt, dass ich Lust auf E-Gitarre und Bläser habe und weniger Klavier und Akustikgitarre.

Naja, wenn’s ein schwermüstiges Album werden soll, solltest du in Wien bleiben und im Kaffeehaus Texte schreiben.
Vielleicht mach ich das mal. Mit hat bis jetzt immer die Kohle und der Auftrag gefehlt, aber jetzt kann ich das gut verbinden, dass ich ein, zwei Interviews mache und dafür dann ein paar Tage in Wien bleibe und wahrscheinlich werd ich’s genau so machen,. Vielleicht ist das ein guter Tipp, einfach mal durch Städte zu fahren und da zu schreiben.

Na dann wünschen wir viel Erfolg und vielen Dank für’s Interview.
Danke, hat Spaß gemacht. Jetzt rauchen wir aber noch eine.

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