Im Rahmen ihrer „Lieblingsmensch“-Tour stattete Namika erstmals ihren österreichischen Fans einen Besuch ab. Am 11. März 2016 trat die Sängerin aus Deutschland im ausverkauften Chaya Fuera auf. Wir trafen sie vor ihrem Konzert zum Interview und sprachen mit ihr über ihr Debütalbum, ihren Erfolg und ihre marokkanischen Wurzeln.

UNIMAG: Das ist ja dein erster Auftritt in Österreich, stimmt’s?

Namika: Genau, das erste Mal international mit der Tour unterwegs. Ich bin schon sehr gespannt.

Die meisten Leute kennen dich seit deinem Song „Lieblingsmensch“. Du bist aber schon länger im Musik-Business unterwegs, ist das richtig?

Ja, ich habe damals schon alleine Musik gemacht und habe ein Mixtape auf eigene Faust mit meinem damaligen Wegbegleiter und immer noch Manager veröffentlicht. Und das hat dann praktisch dafür gesorgt, dass wir in der Musikwelt ankamen.

Du warst bis vor zwei oder drei Jahren noch unter dem Namen Hän Violett bekannt. Wie würdest du die Entwicklung von damals Hän Violet zu jetzt Namika beschreiben?

Wenn ich mir von Hän Violett Videos anschaue, dann sehe ich, was ich auch mega feiere und immer noch witzig finde: Ein junges Mädchen, das mit harten Beats und dem 90er-Rap versucht, ihre eigenen inneren Wände zu durchbrechen. Es ist noch sehr roh und sehr jung. Jetzt nach zweieinhalb Jahren ist es eine Form von Erwachsenwerden, die eingetreten ist.

Einfach die natürliche Entwicklung, die man hat, zu durchleben.

Ja, genau.

Was inspiriert dich dazu, neue Songs zu schreiben?

Das Leben und die Emotionen bringen mich dazu, Songs zu schreiben. Sachen, die ich draußen beobachte. Dinge, die normalerweise eigentlich stumm an einem vorbei ziehen. Dafür habe ich mittlerweile ein gewisses Gefühl entwickelt, diese Dinge auch aufzusaugen und zu verarbeiten. Seien es sozialkritische Sachen oder einfach mal, wenn alles cool ist – auch darüber mal einen Song zu schreiben, wie schön alles ist.

Weil du es gerade ansprichst: Worum geht es dir beim Musik machen? Willst du ein gewisses Gefühl vermitteln oder geht es dir darum, sozialkritische Themen anzusprechen? Ich finde, dass du beides kannst und auch beides vereinst.

Es geht definitiv um beides. Man hat als Künstler das Sprachroh und das Privileg, Sachen zu sagen. Man sagt ja auch: „Music speaks out loud what people can’t say!“ Es ist schon meine Ambition, Sachen anzusprechen, die wichtig sind. Auf dem Album habe ich auch einen Song, der „Wenn sie kommen“ heißt und bei dem es um Straßenjungen geht. Das ist auch eine Beobachtung, die ich in Marokko machen musste. Das war unfassbar schrecklich, was dem kleinen Jungen dort passiert ist. Es war für mich ein Schock, das zu sehen.

Was ist da genau passiert?

Ich stand mit meiner Familie an der Ampel. Ich saß vorne und hatte das Fenster unten. Der Junge kam mit einer Schachtel voller Zigaretten und Taschentüchern an das Auto und wollte mir was verkaufen. Und an der Straße weiter vorne stand ein Polizist. Die Polizisten sind super streng, was das angeht. Sobald sie das Gefühl haben, dass die kleinen Jungs Touristen „belästigen“, flippen die vollkommen aus und verprügeln die auch.

Was, ernsthaft?

Ja, ohne Mist. Da musst du halt zuschauen, wie so ein erwachsener Mann auf einen kleinen Jungen einprügelt. Das ist schrecklich.

So eine ähnliche Szene kommt ja auch im Video des Songs vor – nämlich wie ein kleiner Junge vor einem Polizisten wegläuft.

Ja, das ist ein Szenario, das du dort an jeder Ecke siehst.

Welche Bands bzw. welche Künstler beeinflussen deine Musik oder deinen Musikgeschmack?

Das ist sehr unterschiedlich, ich mag auch internationale und nicht nur englische Musik. Ich finde die französisch-sprachige urbane Musikszene schon seit meiner Jugend sehr spannend.

Ich habe auch gehört, dass du zum Beispiel Missy Elliott total abfeierst.

Auf jeden Fall (lacht). Das ist so die amerikanische Ecke.

Der Song „Lieblingsmensch“ war bzw. ist ja ein riesengroßer Erfolg von dir. Und mit so einem Erfolg geht ja auch immer ein gewisser Hype einher mit einer großen Menge an Meinungen, die auf einen niederprasseln. Wie gehst du damit um?

Ich habe diesem Song so unfassbar viel zu verdanken. Er hat mir so viele Türen geöffnet. Dadurch bin ich sehr gesegnet und freue mich über jedes Feedback, das auf mich zukommt. Zum Beispiel hat man live eh das coolste Feedback. Alles andere ist halt sehr weit entfernt von mir. Viele Leute mögen den Song wahrscheinlich auch nicht, aber die liken dann ja zum Beispiel auch nicht meine Seite, was vollkommen ok ist. Aber deswegen ist Musik halt auch Musik. Es muss nicht allen gefallen und es kann denen gefallen, die sich davon angesprochen fühlen.

Du sprichst das schon im Song an, aber was zeichnet für dich einen Lieblingsmenschen aus?

Ein Lieblingsmensch ist für mich jemand, bei dem man sich nicht verstellen muss. Bei dem man die schlimmste mentale Version seiner Selbst sein kann (lacht) und trotzdem geschätzt und geliebt wird.

Dein Debütalbum trägt ja den Namen „Nador“ – benannt nach der marokkanischen Stadt, in der auch deine Wurzeln liegen. Du bist jedoch in Deutschland geboren und aufgewachsen. Wie schaffst du es, diese beiden Seiten deines Lebens (in deiner Musik) zu vereinen?

Ich glaube, das ist ein Vorgang, der ganz von alleine passiert. Meine Großeltern kommen eben aus Nador, aus der Küstenstadt im Norden Marokkos. Und ich war sehr viele Sommerurlaube mit meiner Familie dort. Ich habe als Kind sehr früh festgestellt, dass ich in Marokko die Deutsche war und in Deutschland die Marokkanerin. Ich hatte keine Identität und wusste nicht, wo ich hingehöre. Und das hat mich als kleines Mädchen sehr mitgenommen. Dann habe ich irgendwann festgestellt, dass Heimat kein Ort – kein Stück Erde – ist, auf dem man steht, sondern das es etwas Emotionales hat. Wo meine Familie und meine Freunde sind, ist meine Heimat, und das ist jetzt gerade Frankfurt.

Du wohnst noch in Frankfurt und gar nicht in Berlin, wo immer alle hinziehen?

Nein, da habe ich mich echt zurückgenommen, weil ich das nicht wollte (lacht). Es ist eine wunderschöne Stadt und eine Stadt, die nie schläft. Aber da kann ich nicht leben, weil die halt nie schläft (lacht). Sonst werde ich irgendwann mal zum Vampir. Viele Freunde von mir und Künstler, die dort hingezogen sind, sind halt Künstlervampire geworden.

Ich habe immer wieder das Wort „Flowsang“ gehört und gelesen. So beschreibst du ja deine Musik. Was genau meinst du damit?

Um genau zu sein, hieß mein Mixtape, das ich damals aufgenommen habe, „Flowsang“. Das war halt eine Form von Flow-Gesang, also praktisch gerappter und schnellerer Gesang. Und nach meinem Album kam ja eine EP raus. Da sind Songs drauf, die etwas daran angedockt haben, wie zum Beispiel der Song „NA-MI-KA“.

Wie findest du die Deutschrap-Szene zurzeit? Es wird ja vieles gerade Mainstream – wie zum Beispiel Spaß-Rap, Gangsta-Rap oder Cloud-Rap. Was hältst du davon?

Ich finde: Je mehr, desto besser. Ich mag es sehr, wenn viele Leute neue Sachen entwickeln. Alles hat seine Berechtigung. Thematisch hat natürlich jeder seine Präferenzen, wenn jemand Gangsta-Rap mag, weil ihn das unterhält, oder Cloud-Rap gut findet, weil es total atmosphärisch klingt. Ich mag im Grunde genommen eigentlich alles, weil ich alles verstehe. Ich verstehe, wenn Haftbefehl von seiner Welt erzählt, und ich verstehe das nicht falsch, wie die Medien das gerne mal tun, indem sie sagen, dass die Gansgsta-Rapper unserer Jugend verderben. Ich bin der Meinung, dass unserer Jugend zu wenig zugetraut wird, und glaube, dass sie das durchaus versteht.

Ja, ich denke auch, dass die Jugend nicht nur konsumiert und alles glaubt, sondern auch imstande ist zu reflektieren.

Definitiv, deswegen hat auch Gangsta-Rap die Berechtigung, hier zu sein.

Wie siehst du eigentlich die Rolle der Frau in der deutschen Rap-Szene?

Im Augenblick entwickelt sie sich. Es gibt schon einige Frauen, die dabei sind und ihr Genre bedienen. Es könnte aber natürlich immer mehr sein. Bis wir von einer Gleichberechtigung sprechen, dauert das, glaube ich, noch ein paar Jahre. Man muss natürlich auch einen Kontext haben, um zu wissen, was man erzählen will. Vielleicht haben noch nicht genug die Ambitionen, das zu machen.

Meiner Meinung nach ist es auch schwierig, diese Rap-Szene überhaupt zu definieren. Wenn man sich zum Beispiel Schwesta Ewa anschaut, ist die klar in der Rap-Szene drin. Aber beispielsweise Lary oder Joy Denalane sind zwar auch rap-behaftet, jedoch nicht in der Szene drin.

Das stimmt, die machen halt ihre eigenen Sachen. Ich würde auch nicht von mir behaupten, dass ich in der Rap-Szene bin. Ich habe halt auch meine eigene Musikrichtung, die nicht unbedingt im Rap zu kategorisieren ist. Ich will keine Kategorie und deswegen ist alles cool.

Um es nochmal kurz anzusprechen, ist das heute Abend ja dein erster Österreich-Termin. Was erwartest du von Österreich bzw. von Wien im Speziellen?

Ich bin sehr gespannt auf das Publikum. Wir waren gestern in Zürich und die sind voll abgegangen. Und das wir hoffentlich heute auch so sein (lacht).

Ich hoffe es, aber ich gehe stark davon aus.

Ich auch (lacht)!

Was sind oder waren deine bisherigen Highlights der aktuellen Tour?

Jede Stadt war für sich irgendwie ein Highlight. Es ist immer ein anderes Gefühl mit anderen Gesichtern und das Publikum ist immer sehr gemischt. Das war für mich auch so ein Aha-Effekt zu sehen, dass mein Publikum von acht bis 60 Jahre geht. Viele, die mich nur durch den Song „Lieblingsmensch“ kennen, nicken dann aber auch mit dem Kopf, wenn ein Rap-Song kommt. Das fand ich richtig geil.

Was können wir denn demnächst noch von dir erwarten?

Das Album „Nador“ ist ja noch am Laufen und die Single „Kompliziert“ kam erst raus. Allerdings ist es ja so, dass „Lieblingsmensch“ noch zu stark ist, aber das ist auch vollkommen okay (lacht). Es ist super, wie es gerade ist, und ich bin sehr zufrieden.

So soll es auch sein. Danke dir für das nette Gespräch!

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