Die lange Schaffenspause hat Two Door Cinema Club sichtlich gut getan. Mit „Gameshow“ meldet sich das nordirische Trio mit einem Album zurück, das für die Tanzflächen dieser Welt wie geschaffen ist. Im Gespräch verrieten uns Sänger Alex Trimble, Bassist Kevin Baird und Gitarrist Sam Halliday den Grund ihrer Abwesenheit und warum sie glauben, dass die Menschheit den aktuellen, technologischen Entwicklungen nicht gewachsen ist.

UNIMAG: Anfang 2014 musstet ihr eine Pause einlegen, weil ihr mental und körperlich am Ende wart. Nach einer so langen gemeinsamen Zeit musstet ihr bestimmt erst wieder lernen, alleine zu leben.

Kevin: Du sagst es! Wir haben keine verrückten Dinge wie Karate gemacht (lacht), sondern mussten erst einmal Basics lernen – sei es kochen, Geschirr abwaschen oder einfach mal wieder Freunde treffen. Sam und ich haben auch angefangen, Golf zu spielen.

Alex: Für mich ging es in der Pause vor allem darum herauszufinden, wer ich bin und welche Werte mir wichtig sind. Ich habe viel gelesen, meditiert und Sport gemacht, um ausgeglichener zu werden und eine Balance zu finden.

Es ist inspirierend, dass ihr so offen mit euren Problemen umgeht.

Alex: Leider werden psychische Erkrankungen häufig stigmatisiert. Die Ironie an der Sache ist, dass fast jeder so etwas im Laufe seines Lebens durchmacht, aber niemand darüber redet. Wir können nicht bestreiten, dass wir uns in einem sehr ungesunden Umfeld bewegt haben. Die Band hat unser gesamtes Leben eingenommen. Wir hatten nur uns und keinen Ort, an dem wir uns zurückziehen konnten, weil wir ständig auf Tour oder im Studio waren. Das macht dich auf Dauer verrückt. Für uns gab es keinen Grund, das zu verheimlichen. Je mehr Menschen darüber sprechen, umso einfacher wird es für Betroffene, sich mit ihren Problemen auseinanderzusetzen.

Kevin: Unsere Intention war es, kein Teil dieser Stigmatisierung zu sein. Außerdem wollten wir nicht so tun, als wäre das alles nie passiert.

Habt ihr trotz allem Angst, dass ihr wieder zu stark in diese Industrie reinrutschen könntet oder schließt ihr das für euch aus?

Alex: Es wäre naiv zu glauben, dass es nie wieder passieren kann. Wir haben aber aus unseren Fehlern gelernt und kennen jetzt die Anzeichen. Wir haben uns sehr verändert und machen viele Dinge bewusst anders als früher. Beispielsweise nehmen wir uns mehr Zeit, um Familie und Freunde zu besuchen – Menschen, die außerhalb der Musikwelt leben. Außerdem kommunizieren wir wieder mehr. Damals war das größte Problem, dass keiner von uns darüber gesprochen hat, was in uns vorging. Jetzt ist es uns wichtig, vernünftig und verantwortungsbewusst zu sein. So können wir die Sache auch wieder genießen. Sollte das mal aufhören, läuten die Alarmglocken (lacht).

Auf „Gameshow“ sprecht ihr recht ernste Themen an. Wenn man die Songs aber hört, ohne auf die Lyrics zu achten, sind es bloß großartige, tanzbare Lieder. Gefällt euch diese Ambivalenz?

Alex: Absolut! Das habe ich immer schon gerne gemacht. Unsere Songs klingen im ersten Moment sehr fröhlich, aber die Lyrics können schon mal etwas düsterer werden. Es ist für uns ein guter Weg, unsere Messages zu transportieren.

Der Titelsong eures neuen Albums attackiert die Hit-Charade der Musikindustrie. Ich habe selbst auch das Gefühl, dass Singles immer wichtiger werden. Die meisten Leute nehmen sich nicht mehr die Zeit, ein ganzes Album zu hören. Sie hören lieber eine bunt gemischte Playlist auf Spotify und wenn du Glück hast, ist dein Song dabei.

Kevin: Es geht immer weniger darum, Musik selbst zu entdecken. Man verlässt sich stattdessen auf algorithmische Playlists. Wir hatten in unserer Karriere oft mit solchen Übergangspunkten zu tun. Als wir mit der Musik begonnen haben, ist das Internet gerade groß geworden, und jetzt dreht sich alles um Streaming. Als Band hast du kaum eine andere Wahl, als dich anzupassen.

Sam: Ich finde die Entwicklung aber auch sehr spannend. In unserer Anfangszeit haben wir unsere Songs auf MySpace gestellt, aber die Leute mussten erst in einen Laden gehen, um sich unser Album anzuhören und zu kaufen. Jetzt veröffentlichen wir eine Single und am nächsten Tag gibt es schon Fans bei unserer Show, die mitsingen können. Die Wege, um Menschen zu erreichen, sind viel direkter und kürzer geworden.

Wie konsumiert ihr persönlich Musik?

Alex: Ich kaufe immer noch Platten, weil ich das Gefühl liebe, ein physisches Werk in den Händen zu halten. Lange Zeit habe ich Streaming vehement abgelehnt und ich glaube immer noch nicht, dass die Plattformen Künstler ausreichend unterstützen. Wenn das aber der Weg ist, den wir als Gesellschaft einschlagen, dann wird es schon irgendwie gut gehen. Ich selbst höre aber trotzdem lieber Alben, weil ich das Konzept dahinter mag.

Sam: Ich verwende Spotify, wenn wir unterwegs sind und um neue Musik zu entdecken. Wenn mir ein Album gut gefällt, kaufe ich mir gerne die Platte für meine Sammlung.

Auf „Are We Ready?“ und „Bad Decisions“ kritisiert ihr die Kommerzialisierung und die Besessenheit unserer Generation, sich in sozialen Medien präsentieren zu müssen. Alles und jeder ist heutzutage eine Marke.

Alex: Mir gefällt nicht, in welche Richtung sich unsere Welt entwickelt. Ich verstehe es auch nicht. Es sind vielmehr Sorgen als eine Kritik. Das Internet und die Medien haben sich allein im vergangenen Jahr stark verändert. Es verändert, wie wir unser Leben gestalten, wie wir miteinander kommunizieren und wie wir uns selbst und einander wahrnehmen. Manches davon ist gut, manches davon aber auch beängstigend. In meinen Augen ist die Menschheit den aktuellen, technologischen Entwicklungen nicht gewachsen. Wenn wir nicht aufpassen, kann das wirklich gefährlich werden. Ich gebe die Hoffnung aber nicht auf, weil wir als Spezies sehr belastbar und manchmal sogar ziemlich schlau sind (lacht).

Kevin: Menschen haben grundsätzlich auch zu viel Vertrauen. Viele fangen erst an, soziale Medien in ihren Ansätzen zu verstehen, während andere sie schon für Manipulation nutzen. Da werden Artikel gepostet, die auf den ersten Blick aussehen, als kämen sie von einer seriösen Quelle, und ein Großteil nimmt die Informationen sofort für bare Münze, ohne sie zu hinterfragen. Menschen leben in ihrer Blase und umgeben sich mit Leuten, die die gleichen Werte und Einstellungen teilen und die gleichen Dinge mögen wie sie. Ich denke aber, wir sind in Wahrheit gar nicht so verbunden, wie wir glauben.

Als Band bleibt einem heutzutage kaum etwas anderes übrig, als auf allen sozialen Plattformen aktiv zu sein. Habt ihr selbst auch das Gefühl, Inhalte generieren zu müssen, um relevant zu bleiben?

Alex: Ja (lacht), zumindest sagt man uns das. Für mich ist das verwirrend, weil das nichts ist, das ich jemals als Teil meines Jobs gesehen hätte. Ich arrangiere mich damit und verstehe, dass es eine neue Generation gibt, die diese Art der Information fordert. Auch hier muss man eine Balance für sich finden. Wir werden so sehr mit Informationen überflutet, dass ein Teil von mir sich fragt: Brauchen wir noch mehr? (lacht) Ich lebe mein Leben in einem langsamen Tempo und alles um mich herum entwickelt sich so schnell – zu schnell für meinen Geschmack. Aber unsere Fans wollen das so. Manchmal machen wir es gerne, andere Male fühlen wir uns unter Druck gesetzt. Es ist schwierig, authentisch zu sein, wenn du das Gefühl hast, du musst etwas mit der Welt teilen. Quantität steht dabei über Qualität – damit können wir nur schwer umgehen.

Sam: Ich mag es persönlich auch, einen Einblick in den Tag einer Band zu kriegen, die ich mag. Der Unterschied liegt aber darin, dass ich ein Leben vor Social Media hatte (lacht). Die jüngere Generation kann hingegen häufig nicht mehr unterscheiden, ob sie eine Person wirklich kennt oder lediglich eine Version von ihr, die im Internet existiert.

Alex: Viele verstehen nicht, dass nichts in den sozialen Medien real ist. Jeder täuscht online vor, ein perfektes Leben zu haben, aber wir nehmen von anderen Leuten nicht an, dass sie das Gleiche tun. Dieses Ungleichgewicht führt zu Problemen.

Kevin: Es ist vor allem für Leute gefährlich, die eine Welt ohne soziale Medien nicht kennen. Die verfolgen das Leben von Kylie Jenner oder von ihren Freunden, die sich immer von ihrer besten Seite präsentieren. Alle wirken glücklich, aber man selbst ist es nicht. Das hat massive Auswirkungen auf die Selbstwahrnehmung und das Selbstwertgefühl. Wir sind alle Teil einer alternativen Realität.

Für junge Bands stellt diese Entwicklung eine neue Herausforderung dar. Wenn Leute deine Band nicht auf Facebook finden…

Sam: … existierst du nicht (nickt zustimmend).

Kevin: Ich beneide junge Bands überhaupt nicht darum. Klar gibt es ein größeres Spielfeld, aber heutzutage ist es auch wesentlich schwieriger, auf sich aufmerksam zu machen und eine neue Message zu transportieren.

Alex: Glücklicherweise waren wir, als wir angefangen haben, in einer besseren Position. Die richtige Vermarktung nimmt mittlerweile einen riesigen Teil ein. Wir posten zwar auch selbst Inhalte, aber alleine für uns arbeiten bestimmt 20 Leute, deren Job es ist, unsere Online-Präsenz zu pflegen. Das ist verrückt.

Habt ihr einen Rat für junge Bands, damit sie Fehler vermeiden können, die ihr vielleicht gemacht habt?

Alex: Vergiss nie, wer du bist! Die Musikindustrie ist ein seltsamer Ort, der dich verschlucken kann, wenn du nicht aufpasst. Man verliert sich leicht in dieser Welt. Leute werden immer versuchen, dir zu sagen, was deine Prioritäten sind. Besser ist es, sie selbst zu kennen.

Kevin: Ein guter Rat für das Leben: Sei kein Arsch! Du wirst dich wundern, wie viel weiter dich das bringen wird.

Vielen Dank für eure Zeit und das tolle Gespräch!

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