Antwort auf den Kommentar vom 29.10. (Link)

Gastkommentar der ÖH Uni Wien

Eine Welle der Entrüstung erhebt sich in (bildungs-)politischen Gefilden, seit ein Antrag der Universitätsvertretungssitzung der ÖH Uni Wien vom 24.10. die Öffentlichkeit erreichte: Ein Couleurverbot! Kleidervorschriften an der Uni Wien! Ein unsäglich undemokratisches Vorgehen!

Nun, mit Verlaub, wir sind irritiert. Wo war der Aufschrei, als die Burschenschaft Teutonia zum Deserteurs Denkmal verlautbaren ließ, dass es eine Schande sei, dass damit jene geehrt würden, die „zur blutbefleckten Roten Armee“ übergelaufen seinen, statt jener die für das Vaterland gestorben seien. Wo war die Welle der Entrüstung, als dieselbe Burschenschaft 2009 in einem Flugblatt gegen den „Schandfrieden“ von 1918 krakeelte und das Revidieren von Gebietsabtretungen forderte? Wer hat sich echauffiert, als die Burschenschaft Olympia in den 90er Jahren ein Erstsemestrigenfest veranstaltete, das wenig inklusiv war, denn „studierst Du Publizistik, Politologie oder Theologie oder gar nicht, hast Du den Wehrdienst verweigert oder eine Freundin, die weder schön noch still ist, kurz: bist Du auf irgend eine Weise abnormal oder unfröhlich, dann bleib lieber zu Hause, Du würdest sowieso von uns nicht eingelassen werden.“ Eben diese Burschenschaften sind es, die jeden Mittwoch auf der Rampe des Hauptgebäudes der Uni Wien aufmarschieren, um sich zu präsentieren.

Mit Verlaub also, ein Couleurverbot als Gefahr für die Demokratie, während die Burschenschafter nur „eine andere Meinung“ haben?

Deutschnationale vs. Katholische Verbindungen

Ein Couleurverbot beträfe ebenso katholische Verbindungen – richtig. Katholische Verbindungen sind keinesfalls gleichzusetzen mit deutschnationalen Burschenschaften – richtig. Hat auch niemand behauptet. Schön, dass wir im Anschluss an den Gastkommentar von Philipp zumindest darin übereinstimmen, welche Gefahr von Deutschnationalen ausgeht. Schade allerdings, dass die Kritik an christlichen Studentenverbänden derart relativiert wird. Es ist klar sexistisch, dass Frauen in einer Vielzahl katholischer Verbindungen nicht aufgenommen werden – und es ist eine berechtigte Frage, wieso diese Geschlechtertrennung weiterhin gehegt und gepflegt wird. Dass es diesbezüglich „Ausreißer“ gibt, kann andere Verbindungen nicht vor Kritik bewahren – gerade in Anbetracht der Tatsache, dass Gemeinsamkeiten und verbindende Elemente sonst so gern hervorgekehrt werden. Dem soll an dieser Stelle nur der sehr kluge Kommentar der Politikwissenschaftlerin Dr.in Alexandra Kurth zur Abgrenzung des Österreichischen Cartellverbandes (ÖCV) zu den deutschnationalen hinzugefügt werden: „Die Ausschlüsse des ÖCV werden in der Öffentlichkeit weniger stark in Frage gestellt als die der deutschnationalen Burschenschaften, was wenig über den ÖCV und viel über das Verständnis von Geschlechtergerechtigkeit sagt“1.

Couleurverbot und Toleranz

Über ein paar weitere Details sollten wir uns außerdem verständigen: „Couleur“ ist nicht eine Kleidung, nicht eine Hose oder Pullover, die morgens aus dem Kleiderschrank gezogen werden. „Couleur“ ist ein politisches Symbol, das von Burschenschaften getragen wird um Präsenz zu zeigen: für die Verbindungen und ihre Ideologie. Ein „Couleurverbot“ gab es bis 1954 sowohl an der Uni Wien (aufgehoben wurde dieses durch das Urgieren eines Mitglieds einer katholischen Studentenverbindung) als auch beispielsweise in den 50er Jahren an der Freien Universität Berlin (FU). Noch heute positioniert sich das Präsidium der FU hier eindeutig und stellt klar, dass die FU „seit ihrer Gründung stets Distanz zu solchen Traditionen halte“ und Dekane aufgefordert seien „darauf zu achten, dass Vertreter studentischer Verbindungen nicht in Farben auf dem Campus auftreten“2. Dies mit der Begründung, dass die Ideologie und Positionen nicht mit den Grundsätzen der FU Berlin vereinbar wären.

Eine Demokratie muss verschiedenen Meinungen aushalten. Und es ist – pathetisch formuliert – auch im demokratischen Rahmen, dass diese selbst in Frage gestellt wird. Und genau dies tun deutschnationale Burschenschafter! Homophobie, Rassismus, Sexismus, Antisemitismus sind keine „Meinungen“ im freien Austausch, sondern unterminierend den demokratischen Grundsatz der Gleichheit. Wenn die Demokratie dergestalt in Frage gestellt wird, sollten alle ihre Verteidiger und Verteidigerinnen – und hier seien diejenigen zuerst aufgerufen, die momentan im Namen der Demokratie für die Burschenschaften in die Bresche springen – alarmiert sein!

Kein Hörsaal dem Faschismus

Auch wenn die derzeitige Berichterstattung auf etwas anderes schließen lassen würde, umfasste der auf der Universitätsvertretungssitzung beschlossene Antrag übrigens mehrere Beschlusspunkte. Allem voran ist es uns ein Anliegen, dass die Universitätsleitung ein klares Statement abgibt und sich von dem Gedankengut deutschnationaler Burschenschaften distanziert und in diesem Zuge den mittwöchlichen „Farben-Bummel“ auf der Rampe der Universität inhaltlich ablehnt.

Wieso wir als ÖH Uni Wien nicht wollen, dass die deutschnationalen Burschenschafter jeden Mittwoch auf der Unirampe stehen ist eigentlich ganz einfach: rechtsextremem Gedankengut darf kein Raum gegeben werden sich selbst zu profilieren und zu verbreiten. Eine freie Universität, wie sie dieser Tage lauthals eingefordert wird, wollen wir auch. Eine freie Universität kann aber ausschließende Ideologien, wie sie die Burschenschaften eindeutig an den Tag legen, keinen Platz liefern. Eine freie Universität ist eine eindeutig antifaschistische, eine, die ein solidarisches Miteinander einfordert und Ausgrenzung keinen Platz liefert.

Danke für die Einladung, aber…

…lieber Phillip, in Räumlichkeiten in denen Doppelkopfadler, Dollfuß-Portraits und/oder Ähnliches hängen, wollen wir unsere Zeit nicht verbringen. Wir trinken unser Bier ohne männerbündlerische Rituale! Außerdem haben wir uns lange und intensiv mit Burschenschaften auseinander gesetzt und auch eine Broschüre zu „Völkischen Verbindungen“ herausgegeben, die wir allen ans Herz legen wollen.

Als ÖH Uni Wien werden wir Studierende nicht nur mit Beratung und Gremienarbeit zur Seite stehen, wir werden auch weiterhin dort anzufinden sein, wo Rechtsextreme ihre Ideen verbreiten wollen und uns ihnen in den Weg stellen – für eine Universität und Gesellschaft frei von Nationalismus, Sexismus, Homophobie, Rassismus und Antisemitismus.

Das Vorsitzteam der ÖH Uni Wien Camila del Pilar Garfias, Cathy Schneider und Stephanie Marx.

1 Der Kommentar entstammt einem Interview, welches sich in der Broschüre „Konservativismus. Elitarismus. Männerbündelei.“ der Österreichischen Hochschüler_innenschaft finden lässt.

2 Link.

Der veröffentlichte Beitrag gibt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

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