Sie gilt als das gute Gewissen Österreichs und ist eine unermüdliche Flüchtlingshelferin: Ute Bock. Im Interview mit UNIMAG spricht Ute Bock über die Flüchtlingsströme, ihre Tätigkeit und über ihre größten Wünsche.

UNIMAG: Liebe Frau Bock, wie geht es Ihnen?
Ute Bock: Soweit alles gut, glaube ich. Ich habe ja so nichts. Ich hatte diesen blöden Schlaganfall. Aber wenn man so sieht, wie sich andere herumplagen müssen, dann fühle ich mich fit. Aber was ich tagtäglich im Fernsehen sehe und höre … es ist einfach so grauenhaft. Wenn irgendwer irgendwas gegen das Flüchtlingsleid tun kann, wäre ich sehr froh und dankbar, und es würde mir noch besser gehen. Ich kann einfach nicht mehr schlafen, wenn ich das sehe. Ich träume davon.

In einem offenen Brief schrieben Sie: „Ich halte die Flüchtlingspolitik in Österreich nicht mehr aus!“ Was muss sich ändern?
Man kann die Leute nicht bis zur österreichisch-ungarischen Grenze fliehen lassen und dann sagen: Hier geht es nicht mehr weiter. Man muss sich einfach nur die Bilder von flüchtenden Kindern und Familien anschauen. Es ist eine Schande. Ich versuche zu helfen, wo ich kann, aber all unsere Wohnungen sind derzeit vergeben. Wir suchen gerade wieder nach neuen. Deswegen: Helfen wir alle zusammen!

Sie sind das gute Gewissen Österreichs. Was waren Ihre Beweggründe, sich in der Flüchtlingshilfe zu engagieren?
Ich war in diesem Haus in der Zohmanngasse schon Erzieherin. Stellen Sie sich vor, es kommt eine junge obdachlose Frau mit einem Säugling und sie müssen ihr sagen, dass es keinen Platz zum Wohnen, Schlafen, Essen und Leben gibt. Das geht ja nicht und man sucht eine Lösung. Und seitdem bin ich ständig auf der Suche nach einem Wohn-, Ess- und Schlafplatz für Hilfesuchende. Das alles war aber keine bewusste Entscheidung meinerseits, sondern es ist einfach so passiert. Begonnen hat alles aber bereits viel früher, als unbegleitete Jugendliche aus dem Jugoslawienkrieg hierher gekommen sind. Ich war also immer der Trottel für die anderen, wenn man das so sagen darf… aber es macht mir nichts aus, einer zu sein. Und es tut mir auch nicht weh, wenn mir einer ins Gesicht sagt: „Du bist a bissl deppat“.

Ist das schon passiert?
Schon einige Male. Ich kam vom Einkaufen zurück und auf der anderen Straßenseite schreit ein Mann zu mir „Griaß eana, Frau Bock. Sands wida do?“ Ich entgegne „Ja“, darauf er: „Di Neger a?“. Ich bejahe. „Sie sand oba schon a weng deppat“ und ich dann: „Drum bin i do! Und do pass i am besten her!“. Das ist aber schon einige Zeit her, als das Wohnheim in der Zohmanngasse adaptiert wurde. Die Rückkehr an diesen Ort im Mai 2012 war nicht wirklich erwünscht. Aber mir war das immer wurscht. Ich versuche einfach zu helfen.

Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie an überbelegte Zeltstädte oder an das überfüllte Traiskirchen denken?
Völliges Unverständnis. Es gäbe so viele freie Häuser, Hallen … was weiß ich was. Und diese Menschen müssen bei diesem Wetter im Freien schlafen? Ich kann das einfach nicht verstehen.

Die negative Kampagnenarbeit einiger Parteien und Medien festigte in den Köpfen der Menschen das Bild des faulen, kriminellen und dealenden Asylwerbers. Was entgegnen Sie diesen Menschen?
Dass es ganz einfach nicht stimmt. Die Menschen verlassen ihre Heimat nur, weil dort die Not so groß ist! Und dann werden sie hier wie Aussätzige behandelt? Das ist doch wahnsinnig. Mensch ist Mensch, ganz egal wo er oder sie herkommt! Und als Menschen haben wir die Flüchtlinge auch zu behandeln. Niemand tut sich eine Flucht an, weil hier in Österreich das Wetter so schön ist.

»Viele sind der Meinung, dass ich einen Vogel habe. Aber das macht mir nichts, wenn ich sehe, dass alle anderen einen größeren haben.«

Glauben Sie, dass die unermüdliche und schnelle Flüchtlingshilfe von Institutionen und Freiwilligen beispielsweise am West- und Hauptbahnhof etwas an der Einstellung dieser Menschen ändert?
Ganz bestimmt. Schon alleine, wenn man dort hinfährt und etwas abgibt und sieht, wie sich diese Menschen freuen. Das hat den Leuten sicher die Augen geöffnet.

Erfahren Sie deshalb heute mehr Unterstützung?
An sich schon. Vor einiger Zeit war eine Frau da, die extra aus Oberösterreich zu uns gekommen ist mit einem Auto voll Kleidung und Sachspenden. Und wir haben sehr viele Anfragen von Leuten, die mithelfen wollen.

Was war die außergewöhnlichste Spende, die Sie je bekommen haben?
Einmal hat uns wer kniehohe, knallrote Frauenlackstiefel mit hohen Absätzen gegeben. Das war wirklich sehr skurril.

Hat die Kritik an Ihrem Projekt eigentlich nachgelassen? Denn Sie waren hier in Favoriten ja nicht immer willkommen.
Es ist weniger geworden, aber Kritiker gibt es leider nach wie vor. Wir haben uns mit ihnen aber arrangiert. Leute aus der Nachbarschaft kennen uns natürlich, manche kommen regelmäßig vorbei und wir laden sie auch immer wieder ein.

Was wären Ihre größten Wünsche?
Einer ist sicher, dass ich noch ein weiteres Wohnhaus, eine zusätzliche Notschlafstelle für Flüchtlinge, dazuhaben möchte. Mein größter Wunsch ist, dass meine Arbeit irgendwann nicht mehr benötigt wird.

Frau Bock, wir danken Ihnen sehr und wünschen Ihnen das Allerbeste!

Ute Bock (73) gründete im Jahre 2000, nach ihrer Pensionierung als Erzieherin der Stadt Wien, ihr Hilfsprojekt. Zwei Jahre später wurde der Ute Bock Verein – Wohn- und Integrationsprojekt ins Leben gerufen. In der Zohmanngasse 28 in Wien-Favoriten sind aktuell rund 70 Menschen untergebracht aus 30 Nationen, in externen Wohnungen bis zu 250 Hilfesuchende. Wer helfen möchte: Sachspenden, wie etwa haltbare Lebensmittel bzw. Hygieneartikel und Bekleidung (gesucht wird vornehmlich Männerkleidung) werden von Montag bis Freitag von 10 bis 17 Uhr in der Zohmanngasse 28 in 1100 Wien angenommen.

Geldspenden können auf dieses Konto überwiesen werden:

Hypo Bank Tirol
BLZ: 57 000
Kto. Nr.: 52011017499
IBAN: AT625700052011017499
BIC: HYPTAT22

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