Trends wie Elektromobilität, Digitalisierung und autonomes Fahren verändern die Automobilbranche in rasantem Tempo. Gesucht werden innovative Fachkräfte, die die aktuellen Entwicklungen vorantreiben.

370.000 Arbeitsplätze hängen heute in Österreich von der österreichischen Automobilwirtschaft ab. Jeweils 36.000 Arbeitnehmer sind direkt in der Automobil- und Automobilzulieferindustrie beschäftigt. 2017 erwirtschafteten sie rund 15 Milliarden Euro. Ein Schlüssel für die erfolgreiche Entwicklung ist die hohe Innovationskraft in der Branche. Rudolf Kemler, der in der Unternehmensberatung Roland Berger für den Automotive-Bereich zuständig ist, erklärt: „Die österreichische Zulieferindustrie zeichnet sich durch Spezialisierung und hohe Qualität aus. Der Globalisierung der Branche trug sie – nach dem Prinzip ‚follow your customer‘ – durch massive Internationalisierung Rechnung.“ Die Automobilindustrie ist nach dem Maschinenbau die zweitwichtigste Exportbranche Österreichs.

Gebündeltes Know-how

Das Know-how der Branche wurde gezielt gebündelt, etwa durch die Gründung von Automotive-Cluster in der Steiermark, in Oberösterreich und der Region Wien. Sie haben das Ziel, die vorhandenen Kompetenzen von Fahrzeugherstellern und Zulieferern auch länderübergreifend zu vernetzen, um innovative Projekte in den Bereichen Mobilität, Verkehr und neue Fahrzeugtechnologien zu ermöglichen. Denn viele Entwicklungen sind heute nicht mehr im Alleingang möglich. Im Bereich der E-Mobilität gilt das etwa für Batterien, die die erforderliche Leistung, Reichweite, Lebensdauer und Sicherheit gewährleisten, aber auch für die Entwicklung einer flächendeckend ausgebauten Ladeinfrastruktur. Die Digitalisierung fordert die Ingenieure etwa bei der Entwicklung intelligenter Fahrassistenzsysteme und dem Zukunftstrend autonomes Fahren.

Bei einer Umfrage zur Automotive-Studie 2017  der Beratungsgesellschaft PwC nannten 58 % der befragten Automobilzulieferer aus Österreich die Bereiche Robotik, Batterie- und Energietechnik, Sensorik sowie Data-Mining und -Analyse als wichtigste strategische Entwicklungen.

Autoland Österreich

Die Automobil- und Automobilzulieferindustrie in Österreich hat Tradition: So wurde der erste Fahrzeug-Vorderantrieb Ende des 19. Jahrhunderts in der Automobilwerkstatt Gräf & Stift in Wien entwickelt. Automobilproduzenten
wie Austro-Daimler,  Steyr und Puch zählten in den 1930er-Jahren zu den führenden Autoherstellern Europas. In der Nachkriegszeit nutzten vor allem internationale Hersteller wie BMW und Unternehmen der Zulieferindustrie das im Land vorhandene Know-how. Sie führten die Tradition der Automobilbranche mit zahlreichen Standorten in Österreich fort.

Schneller Einstieg möglich

Im Bereich Elektromobilität ist auch Diplom-Ingenieur Mateo Primorac tätig. Er studierte Werkstoffwissenschaft an der Montanuniversität Leoben. In einem Karriereportal seiner Hochschule stieß er auf eine Ausschreibung des Automobilzulieferers Miba. Er bewarb sich und konnte nach einem Skype-Interview und einem Assessment Center im 18-monatigen „Global Graduate Program“ starten. In dem Traineeprogramm lernte er unterschiedliche Bereiche des Unternehmens in China, der Slowakei und den USA kennen. „Von dieser Erfahrung profitiere ich noch heute im täglichen Arbeitsumfeld“, betont der 28-jährige Projektmanager.

Mit den Veränderungen in der Automobilindustrie haben sich auch die Anforderungen an Berufseinsteiger stark gewandelt. „In den vergangenen Jahren hat sich mehr verändert als in vielen Jahrzehnten davor“, betont Senior Partner Rudolf Kemler von Roland Berger. Als Beispiele nennt er neue Techniken wie alternative Antriebe und autonomes Fahren oder ein sich wandelndes Kundenverhalten, das sich etwa im Trend zum Carsharing zeigt. „Absolventen müssen sich auf einen raschen Wechsel der Anforderungen einstellen. Das Gleiche gilt für die inhaltliche Lehrtätigkeit an den Hochschulen“, so der Automobilexperte.

Megatrend Elektromobilität

Auch der Automobilzulieferer Magna konzentriert sich verstärkt auf den Ausbau des Bereichs Elektromobilität. „E-Mobilität, die Reduktion des CO2-Ausstoßes und die Entwicklung alternativer Mobilitätskonzepte sind derzeit die größten Herausforderungen für die Automobilwirtschaft“, sagt Gabriela Tretter-Steinwender. Gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen ist sie bei Magna Powertrain verantwortlich für das Recruiting an den Standorten Lannach, Ilz, Albersdorf und Traiskirchen. Die Herausforderungen, vor denen die Branche steht, verändern die Anforderungen an Bewerber. „Wir suchen verstärkt nach Absolventen aus den Studienrichtungen Elektrotechnik, Mechatronik und Informatik. Je nach Position ist aber weiterhin Fachwissen aus den Bereichen, Maschinenbau, Fahrzeugtechnik, Automatisierungstechnik, Verfahrenstechnik, Technische Physik und Softwareentwicklung sehr wichtig“, so die Recruiterin. Magna Powertrain ist im Magna-Konzern der Spezialist für die Entwicklung und Produktion von Antriebssystemen.

Mateo Primorac hat die Leidenschaft für die Automobilindustrie von seinem Vater geerbt. Er war schon in seiner Kindheit fasziniert von Autos. Die Faszination ist auch nach seinem Berufseinstieg geblieben: „Das Besondere an der Tätigkeit in der Automobilzulieferindustrie ist für mich, direkt in der Entwicklung involviert zu sein und das menschliche Grundbedürfnis der Mobilität mitgestalten zu können“, erklärt der Ingenieur.

Freiheit für Innovationen

Nach seinem Traineeprogramm konnte Primorac bei Miba als Entwicklungsprojektleiter für Produkte im Bereich Elektromobilität einsteigen. Er arbeitet im zentral eingerichteten „E-Mobility Innovation Lab“. „Das ist so etwas wie das Start-up im Unternehmen. Dort haben wir große Freiheiten für Innovationen.“ Aktuell ist er verantwortlich für die Produktentwicklung bei Statoren – den feststehenden, unbeweglichen Teilen eines Motors – und leitet weitere interne und externe automotive Projekte des Technologieunternehmens aus Laakirchen.

Ihre innovativen Entwicklungen sichern den Ingenieuren hohe Aufmerksamkeit in den Unternehmen. „In der Automobilbranche treffen ein dynamisches Umfeld, spannende Aufgaben und Produkte und die Möglichkeit, Veränderungen zu bewirken, zusammen. Dazu kommen vielfältige Karrieremöglichkeiten in einem internationalen Umfeld. All das macht die Branche besonders attraktiv für Absolventen“, stellt Personalexpertin Tretter-Steinwender fest.

Langer Atem bei Produktentwicklung

Die Freiräume in der Entwicklung sind auch notwendig. Von den damit verbundenen Mühen bekommt die Öffentlichkeit oft wenig mit. Mateo Primorac nennt Beispiele: „Es kann passieren, bereits fertige Produkte wieder verwerfen zu müssen, weil sich die Marktumgebungen oder Kundenanforderungen geändert haben. Aber das gehört dazu, genauso wie ein langer Atem bei der Produktentwicklung.“

Als weitere wichtige Anforderungen an Berufseinsteiger nennt Gabriela Tretter-Steinwender neben Begeisterung für den Automotive-Bereich einen souveränen, flexiblen Umgang mit den Veränderungen. „Ganz wichtig sind eine hohe Eigenverantwortung und Eigeninitiative, auch wenn es um die persönliche Weiterentwicklung geht. Natürlich bilden wir unsere Mitarbeiter kontinuierlich weiter, um die Entwicklungen dynamisch vorantreiben zu können.“

Branche sucht Kontakt zu Hochschulen

Studierenden, die in die Automobilzulieferindustrie einsteigen möchten, rät Mateo Primorac, möglichst schon während des Studiums verschiedene Firmen aus unterschiedlichen Perspektiven kennenzulernen. „Ein durchorganisierter Großkonzern ist anders als ein innovativer Zulieferer und der wiederum anders als ein dynamisches Start-up-Unternehmen – und alle drei können voneinander lernen“, betont der Projektleiter. Er selbst hatte durch Sommerpraktika und Präsentationen von Automobilfirmen an seiner Uni bereits als Student Kontakt zur Automobilbranche.

Mittlerweile ist das ein typischer Weg: „Um den Bedarf an Fachkräften zu decken, müssen die Unternehmen der Automobilindustrie verstärkt den Dialog mit Universitäten und Fachhochschulen suchen und die künftigen Absolventen über ihre Branche informieren“, weiß Rudolf Kemler. Von dem frühen Kontakt zueinander profitieren beide Seiten. Die Studierenden erhalten Einblicke in den innovativen Wirtschaftszweig und ein Gespür für die Branche. Deren Unternehmen sehen die Chance, gut ausgebildete Fachkräfte zeitig an sich zu binden. Zudem trägt eine intensive Kooperation mit den Hochschulen in Österreich dazu bei, der Branche das erforderliche Know-how zu sichern.

Verschiedene Einstiegswege

Wer das fachliche Know-how und das nötige Engagement mitbringt, findet bei den Automobilherstellern und -zulieferern verschiedene Einstiegswege. Mateo Primorac gelang der berufliche Start über Praktika und das Traineeprogramm bei Miba. Gabriela Tretter-Steinwender nennt Praktika, Werkstudententätigkeiten und den Direkteinstieg als Einstiegsmöglichkeiten bei Magna Powertrain.

Ob ein Master-Abschluss gefordert ist oder ein Bachelor für den Start in die Automobilwirtschaft ausreicht, hängt von der Position und den weiteren Qualifikationen des Bewerbers ab. Die Zeiten einer schematischen Personalauswahl sind in den meisten Unternehmen vorüber. Gabriele Tretter-Steinwender erklärt: „Unser Auswahlprozess ist sehr individuell und bezieht immer auch außeruniversitäres Engagement, praktische und internationale Erfahrungen sowie weitere Faktoren mit ein.“ Die Auffahrt in die Automobilindustrie ist also frei – nur die Standspur sollten Bewerber rechtzeitig verlassen.

Die Automotive-Branche in Zahlen

  • Die Beschäftigten  in der Automobil- und Automobilzulieferindustrie Österreichs erwirtschafteten 2017 15 Milliarden Euro, etwa durch die Fertigung von 2,4 Millionen Motoren und Getrieben, 78.000 Pkw, 19.200 Lkw, 150.000 Motorrädern und 30.000 landwirtschaftlichen Fahrzeugen wie Traktoren.
  • Auch die Entwicklung der Beschäftigtenzahlen macht die Bedeutung der Automobilindustrie für den Wirtschaftsstandort Österreich deutlich. Während die Industrie seit dem Jahr 2000 rund 4 % an Beschäftigten verloren hat, stieg die Zahl der Arbeitsplätze in der Fahrzeugindustrie im gleichen Zeitraum um 25 %. Wer auf einen Einstieg in die Automobilindustrie setzt, hat sich für eine dynamisch entwickelnde Branche entschieden.
  • 2017 gab es in Österreich 353.320 Pkw-Neuzulassungen  – das waren 7 % mehr als im Vorjahr und der höchste Wert seit 2011. 4 % der neuzugelassenen Pkw hatten alternative Antriebe (also Elektro-, Erdgas- oder Hybrid-Antriebe). Die Zahl der neuzugelassenen Pkw mit reinem Elektroantrieb stieg gegenüber 2016 um 42 % auf 5.433. Mit 1,5 % ist der Anteil der E-Autos an den Neuzulassungen in Österreich aber noch gering.

Fotos: Morsa Images, baranozdemir – istock.com

Text: Heinz Peter Krieger

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