Ein BWL-Studium gilt vielen als perfektes Sprungbrett in eine lukrative Karriere. Nicht zu Unrecht: Mit ihrer Mischung aus generalistischer Hochschulausbildung und Spezialisierung in einzelnen Studienschwerpunkten stehen den Absolvent:innen fast alle Karrierewege offen. Wir stellen einige besonders spannende Branchen für den Berufseinstieg vor.

„Der aktuelle Arbeitsmarkt ist quer durch alle Branchen krisengebeutelt“, sagt Ursula Axmann, Geschäftsführerin des WU ZBP Career Centers an der WU Wien. Wäre der Satz zu einer anderen Zeit gefallen, etwa während der jüngsten weltweiten Finanzkrise ab 2007, wäre er wohl noch ganz anders gedeutet worden: als Krise für Stellensuchende und drohende Arbeitslosigkeit selbst für gut qualifizierte Hochschulabsolvent:innen.

Inzwischen hat sich der Arbeitsmarkt jedoch längst zu einem Arbeitnehmermarkt gewandelt. So meldet die Wirtschaftskammer Österreich (WKO), dass 73 Prozent der österreichischen Unternehmen unter dem Fachkräftemangel leiden, 63 Prozent bereits über Umsatzeinbußen aufgrund fehlenden Personals klagen und für knapp die Hälfte der Unternehmen der Fachkräftemangel bereits zur Einschränkung von Innovationen geführt hat.

„Unternehmen ringen an allen Ecken und Enden um geeignete Mitarbeiter:innen. Und alle fragen sich, wo die Arbeitskräfte nach den Corona-Krisen geblieben sind. Der Arbeitsmarkt für Wirtschaftsabsolventen und -absolventinnen war schon vor Corona sehr gut, seit Herbst 2021 kam ein großer Schwung an Stellenangeboten für junge Absolvent:innen hinzu“, stellt Ursula Axmann fest. „Selbst wenn der Arbeitsmarkt vielleicht kurzfristige, krisenbedingte Erschütterungen erlebt: Die Zahl der Absolvent:innen steigt nicht in dem Ausmaß, wie sie der Arbeitsmarkt brauchen würde“, so die Leiterin des Career Centers, die selbst an der Wirtschaftsuniversität Wien studierte und heute dort auch als Dozentin tätig ist.

Generaltisches Studium mit Vertiefungen

Ein BWL-Studium gilt vielen als sichere Bank für den späteren Berufseinstieg. Und eher als in vielen MINT-Studiengängen ist für BWL-Absolvent:innen auch schon mit einem Bachelor-Abschluss der Einstieg in eine erfolgreiche Karriere möglich.

Das BWL-Studium ist typischerweise generalistisch angelegt. In späteren Semestern bieten die Studiengänge dann Vertiefungen und Spezialisierungen an. Die selbst gewählten Schwerpunkte helfen, sich auf dem Arbeitsmarkt durch individuelle Kenntnisse und Kompetenzen von der Masse der Absolvierenden abzuheben und sich auf bestimmte Bereiche zu spezialisieren. „Unternehmen wissen die Qualität unterschiedlicher Wirtschaftsstudien in Österreich gut einzuschätzen. An Studierenden der WU Wien schätzen sie vor allem das breit gefächerte Fachwissen und die Leistungsbereitschaft“, so die Erfahrung von Ursula Axmann.

Gute Jobaussichten

„BWL-Absolvent:innen haben in der Wirtschaft allgemein gute Jobaussichten – auch bei uns in der Unternehmensberatung, Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung“, stellt Alexandra Sirlinger fest, Human Resources Managerin bei Österreichs größtem Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen KPMG.

„Dabei wird eine gute Ausbildung immer wichtiger. Gerade in Zeiten wie diesen, mit ständigen Veränderungen und Widerständen, ist lebenslanges Lernen gefragt, um sich immer wieder auf den aktuellen Stand zu bringen und flexibel an neue Situationen anpassen zu können.“ Arbeitgeber sprechen Studierende oft schon während des Studiums an und versuchen, Talente mit studienbegleitenden Angeboten frühzeitig auf sich aufmerksam zu machen und für sich zu gewinnen.

Karrierechancen haben Wirtschaftswissenschaftler:innen in jeder Branche. Das zeigt etwa ein Blick in die Jobbörsen oder auf die Ausstellerlisten der verschiedenen Jobmessen und Career Days. „Auf unserer Karrieremesse Career Calling im Oktober werden Arbeitgeber aus satten 19 Branchen mit Hunderten Stellenangeboten für Studierende und junge Absolvent:innen vor Ort sein. Daran können wir ablesen, dass in der Unternehmensberatung, Steuerberatung, Wirtschaftsprüfung und Industrie intensiv gesucht wird, dicht gefolgt vom öffentlichen Bereich, Einzel- und Großhandel, Banken, Transport/Logistik, Rechtsberatung und Pharma. Oder umgekehrt formuliert: Es gibt derzeit kaum eine Branche, die nicht nach Wirtschaftsabsolvent:innen sucht“, beobachtet Arbeitsmarktexpertin Axmann.

Neue Rolle für Consultants

„Bedarf an gut qualifizierten Wirtschaftsabsolvent:innen haben wir in all unseren Bereichen – in der Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Rechtsberatung und Unternehmensberatung gleichermaßen. Alle Felder sind und bleiben enorm wichtig.

Der Bedarf ist deshalb stetig gegeben und wächst weiter“, erklärt Alexandra Sirlinger von KPMG. Der Megatrend Digitalisierung, der durch die Corona-Pandemie noch einmal einen kräftigen Schub bekommen hat, sorgt für hohen Bedarf der Unternehmen an kompetenter Beratung. In praktisch allen Branchen stellen Unternehmen ihre Geschäftsprozesse und -modelle auf den Prüfstand. IT- und Technologieberatung steht im Fokus vieler Consulting-Projekte. Das hat die Rolle der Consultants im Beratungsgeschäft verändert.

Auch BWL-Absolvent:innen, die in die Wirtschaftsprüfung oder ins Beratungsgeschäft einsteigen, müssen verstehen, welche Möglichkeiten die digitale Transformation bietet. Nur so können sie ihre Klient:innen im Hinblick auf eine optimale Lösung im Bereich IT oder Technologie beraten. Gerade bei digitalen Projekten wünschen die Kund:innen häufiger als früher, dass die Projektteams sie bis zur Implementierung der Lösung begleiten. In der Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung hilft die Digitalisierung, interne Prozesse und externe Schnittstellen effizienter gestalten. Routinetätigkeiten werden automatisiert und lassen Ressourcen für anspruchsvollere Aufgaben – nicht zuletzt für die Betreuung der Kundinnen und Kunden.

Die durch die Pandemie angestoßenen Organisationsänderungen und der Kulturwandel in den Unternehmen sorgen ebenfalls für einen hohen Beratungsbedarf. So sind bei KPMG derzeit neben anderen die Themen Environmental Social Governance (ESG, also die Bereiche Umwelt, Soziales und Unternehmensführung), Change Management und IT-Beratung besonders gefragt, wie Alexandra Sirlinger berichtet.

Entsprechend breit gefächert sind die Qualifikationen, die BWL-Absolvent:innen heute mitbringen müssen, um die vielfältigen Aufgaben im Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgeschäft erfüllen zu können. „Wirtschaftliches Grundverständnis, Flexibilität, Neugier, Motivation, Selbstständigkeit und Teamfähigkeit sind für eine Tätigkeit bei uns sehr wichtig“, so die Human-Resources-Expertin Sirlinger.

Schneller Aufstieg im Handel

Zu den Branchen, die derzeit gewaltige Umwälzungen gestalten müssen, zählt der Einzelhandel. Während der Corona-Pandemie haben sich bei den Kundinnen und Kunden neue Einkaufsgewohnheiten herausgebildet. Eine der Herausforderungen in der Branche ist, den stationären Handel und Online-Shops aufeinander abzustimmen und miteinander zu verknüpfen. Ziel muss sein, das Online-Geschäft auszubauen und gleichzeitig die stationären Filialen zu modernisieren.

Für Wirtschaftsabsolvent:innen bietet der Handel dadurch spannende Einstiegsmöglichkeiten in ganz unterschiedlichen Bereichen, ob am „Point of Sale“ oder in den Zentralen. Spannende Aufgaben warten in den Bereichen Vertrieb, Einkauf, E-Commerce, Finance und Controlling, Logistik, Category Management, (Online-)Marketing, Kommunikation oder Human Resources. Der Einstieg in Vertrieb oder Einkauf erfolgt häufig in einem Traineeprogramm, in dem die Berufstarter:innen das Unternehmen von der Pike auf kennenlernen.

Typisch für den Handel ist die Aussicht auf einen raschen Aufstieg. Führungspositionen werden in der Branche traditionell gerne aus den eigenen Reihen besetzt. Wer eine Karriere im Vertrieb startet, hat häufig bald die Chance, eine Bereichsleitung oder die Leitung eines Marktes zu übernehmen.

Im Modehandel kann dies auch ein Verkaufshaus mit mehreren Tausend Quadratmetern Verkaufsfläche sein, inklusive entsprechender Personalverantwortung. Gerade der Einkauf verspricht auch internationale Karrieren. Bei globalen Beschaffungswegen wie in der Modebranche ist interkulturelles Verständnis besonders wichtig.

Starke Marken in der Konsumgüterindustrie

Der besondere Reiz der Konsumgüterindustrie ist für viele Berufseinsteiger:innen, täglich mit Produkten zu tun zu haben, die sie auch im Supermarkt finden. Die Konsumgüterhersteller und Produzenten von „Fast Moving Consumer Goods“ profitieren dabei von der Strahlkraft ihrer Produktmarken, die auch bei den Bewerber:innen positive Assoziationen wecken.

Dabei ist die Vielzahl der Marken kaum noch überschaubar. Doch regelmäßig überlebt nur ein Drittel der Innovationen die ersten beiden Jahre, schätzen Marktforscher. Entsprechend kurz sind die Entwicklungszyklen und die neuen Produkte müssen beim Kampf ums Regal schnell in den Handel gelangen.

Wer wissen möchte, welches Produkt Erfolg am Markt verspricht, muss herausfinden, was die Konsument:innen wollen und wie die „smarten Shopper“ sich erreichen lassen. In der Konsumgüterbranche sind deshalb Freude an der Arbeit mit Zahlen und statistisches Talent gefragt. Spannende Bereiche für Berufseinsteiger:innen finden sich neben dem Vertrieb etwa in den Bereichen Produktmanagement, Marktforschung, Finanzwesen/Controlling oder Patentwesen.

Digitalisierung im Finanzsektor gestalten

Geld ist ein virtuelles Gut, und so bekamen Banken und Versicherungen früh die Auswirkungen der digitalen Transformation zu spüren – etwa die Bereitschaft der Kund:innen ihre Finanzgeschäfte online zu erledigen. Dazu kommt die Konkurrenz durch Direktbanken und FinTechs. Die Banken passen sich dem an, sichtbar etwa an dünner werdenden Filialnetzen.

Gefragt sind im Finanzsektor gut funktionierende Multi-Channel-Strategien. Wer mit der Bank oder Vericherung ins Geschäft kommen möchte, soll dies am Beratungsschalter, via Online-Banking oder mit der App erledigen können. Sie müssen ihre Infrastrukturen effizient gestalten und Prozesse digital optimieren.

Auf der Agenda stehen bei fast allen Finanzdienstleistern Projekte zur Entwicklung innovativer digitaler Lösungen und Produkte, neuer Kommunikations- und Vertriebskanäle oder zur Automatisierung von Prozessketten. All das sorgt für eine hohe Nachfrage nach Business-Absolvent:innen, die auch digitale Kompetenzen mitbringen.

In der Logistik Grenzen überwinden

Welche Bedeutung die Logistikbranche für eine funktionierende Wirtschaft hat, wurde während der Corona-Pandemie mehr als deutlich. Während woanders die Bänder stillstanden, mussten Lieferketten unter erschwerten Bedingungen aufrechterhalten werden.

Dabei ist Logistik längst mehr als der Transport von Gütern. Warenwirtschaftssysteme werden digital gesteuert, automatisierte Prozesse überwachen die Lieferketten entlang der gesamten Wertschöpfung. RFID-Technik gewährleistet durch die kontaktlose Identifizierung von Waren den Einsatz selbststeuernder Systeme.

Begehrt sind BWL-Absolvent:innen, die technisches Verständnis, einen Studienschwerpunkt in Logistik und prozessorientiertes Denken mitbringen. Wichtig sind auch Fremdsprachenkenntnisse. Denn die Logistik weiß, wie man Grenzen überwindet – und tut dies auch.

Praxiserfahrung erwünscht

Beim Berufseinstieg profitieren diejenigen Absolvent:innen, die während des Studiums schon erste Erfahrung in Jobs gesammelt haben. „Die Aufgaben, die vielerorts auf junge Wirtschaftsabsolvent:innen warten, sind zunehmend komplexer und verlangen Methodenvielfalt. Gerade infolge des aktuellen Personalmangels wünschen sich Arbeitgeber vermehrt junge Mitarbeiter:innen, die sehr rasch eigenständig Aufgaben übernehmen können“, erklärt Ursula Axmann. „Gerade von Wirtschaftsabsolvent:innen wird erwartet, dass sie ein Unternehmen schon einmal von innen gesehen haben. Studienbegleitende Berufserfahrung ist deshalb ein Muss!“

Auch die Personalexpertin Alexandra Sirlinger empfiehlt: „Alle Studierenden sollten bereits während des Studiums Kontakte zu Unternehmen knüpfen, um Praktika zu absolvieren oder in Teilzeit zu arbeiten und so Erfahrungen zu sammeln. Damit sind sie für den Einstieg nach dem Studium bestens vorbereitet.“ Ein weiterer positiver Effekt sind die Netzwerke, die sich auf diese Weise schon im Studium aufbauen und auf die sich zu einem späteren Zeitpunkt zurückgreifen lässt: „So viele Menschen wie während der Studienzeit lernt man später nicht mehr so einfach kennen“, weiß Ursula Axmann.

Text: Heinz Peter Krieger
Foto: Foto: pixelfit – istock

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