Wenige „Corona-Monate“ reichten, um den Handel nachhaltig zu verändern. Der Online-Handel boomt und Retailer versuchen, mit neuen Konzepten ihre Kundinnen und Kunden auf allen Kanälen anzusprechen. Dafür ist frisches Know-how in allen Bereichen gefragt. Wir zeigen, wohin sich der Handel entwickelt und und welche Talente gesucht werden.

So viel ist bereits klar: Corona hat den Handel verändert – und das nachhaltig. Denn die Pandemie hat die Entstehung neuer Geschäftsmodelle vorangetrieben. Die Handelsunternehmen sind intensiv damit befasst, Omnichannel-Konzepte aufzubauen und ihre Kundschaft auf allen Kanälen personalisiert anzusprechen.

Während der Lockdowns haben die Verbraucherinnen und Verbraucher beim Einkauf das soziale Erlebnis in den Geschäften zwar genauso vermisst wie die Möglichkeit, Produkte anzufassen und auszuprobieren. Gleichzeitig haben sie aber neue Online-Einkaufsgewohnheiten herausgebildet. Diese werden auch nach dem Ende der Pandemie bestehen bleiben und sich weiterentwickeln. Das stellt der Zahlungsanbieter Klarna in seiner Studie „Shopping Pulse: Österreich“ fest. Beim Online-Geschäft besonders stark zugelegt hat laut der Studie der Modehandel. In der Kategorie Kleidung & Schuhe geben die Kundinnen und Kunden in Österreich demnach inzwischen online genauso viel aus wie in den Geschäften.

Stationärer Handel und Online-Business

Die Branche befindet sich mitten im Übergang in eine neue Welt. Stationärer Handel und Online-Business müssen als aufeinander abgestimmte Kanäle geschickt miteinander verknüpft werden. Ziel ist, das Online-Geschäft auszubauen und gleichzeitig die eigenen stationären Filialen zu modernisieren. Um all das umzusetzen, arbeiten Spezialist:innen aus verschiedenen Disziplinen zusammen. Der Handel benötigt Talente für ganz unterschiedliche Herausforderungen.

„Es gibt keinen Bereich, in dem nicht gesucht wird – man muss sich nur entscheiden, ob man in einer Zentralfunktion oder im Vertrieb Karriere machen möchte.“

Das sorgt für eine hohe Nachfrage nach gut ausgebildeten Hochschulabsolvent:innen. „Es gibt keinen Bereich, in dem nicht gesucht wird – man muss sich nur entscheiden, ob man in einer Zentralfunktion oder im Vertrieb Karriere machen möchte“, sagt Jasmin Ghadarjani, Human-Resources-Expertin bei der REWE Group Österreich. „Der Handel ist sehr dynamisch und immer im Wandel. Aufgrund der zahlreichen Sparten sind die Tätigkeiten im Handel sehr vielfältig und reich an Aufgabengebieten. Und gerade der Lebensmittelhandel ist eine krisensichere Branche“, so Ghadarjani weiter.

Schneller Aufstieg möglich

Spannende Einstiegsmöglichkeiten bieten sich im Handel (fast) unabhängig vom Studiengang – ob in den Bereichen Vertrieb, Einkauf, E-Commerce, Finance und Controlling, Logistik, Category Management, Marketing, Kommunikation, Human Resources, Recht, Technik oder IT. Wer nach dem Studium in der lebendigen Branche startet, hat zudem die Chance, schnell Verantwortung zu übernehmen, und die Aussicht auf einen schnellen Aufstieg. Denn die Branche ist bekannt dafür, ihr Führungspersonal gerne aus den eigenen Reihen zu rekrutieren.

So werden Trainees im Vertrieb früh auf die Leitung eines Bereichs, Marktes oder Verkaufshauses vorbereitet. Dieses kann etwa im Modehandel durchaus mehrere Tausend Quadratmeter Verkaufsfläche aufweisen. Neben der Verantwortung für Ladenfläche und Umsatz gehört dann auch die Mitarbeiterführung zu den Aufgaben. Weitere typische Schritte sind der Aufstieg zum/zur Regional- oder Vertriebsmanager:in oder internationale Karrieren im Einkauf.

Die umsatzstärksten Warengruppen im österreichischen Distanzhandel waren im Corona-Jahr 2021 Bekleidung mit 2,05 Milliarden, Elektrogeräte mit 1,3 Milliarden und Möbel mit 0,8 Milliarden Euro Umsatz. Die größten Zuwächse verzeichneten dabei die Sektoren Einrichtung (38%), Spielwaren (37 %) und Sportartikel (22%). Dies ergab die „eCommerce Studie Österreich 2021“ des Handelsverbands und des Instituts KMU Forschung Austria. Über 90 Prozent des Distanzhandels fallen nach Angaben des Verbands mittlerweile auf den Online-Handel, der Rest auf den klassischen Versandhandel.

Einstieg mit viel Praxis

Grundvoraussetzung für den Erfolg jedes Handelsunternehmens ist, die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden zu verstehen. Direkten oder indirekten Kontakt mit ihnen haben fast alle, die im Handel beschäftigt sind. Wer nach dem Abschluss des Studiums in die Branche einsteigt, durchläuft während der Einarbeitungsphase deshalb fast immer eine Station im Verkauf. Denn auch wer eine zentrale Funktion im Unternehmen ansteuert, muss wissen, wie der Vertrieb funktioniert. Nur so ist es möglich, die Prozesse im Handel nachzuvollziehen und mitzugestalten. Und für die Young Professionals ist es oft beeindruckend zu erleben, was alles im Hintergrund passiert, bis ein Produkt im Regal präsentiert werden kann.

Der Lebensmittelhandel ist eine krisensichere Branche (Jasmin Ghadarjani, REWE Group Österreich)

Wer während des Studiums Praktika oder Werkstudententätigkeiten in der Branche absolvieren konnte, bringt bei der Bewerbung gleich ein dickes Plus mit. Das gilt für den Direkteinstieg genauso wie für Traineeprogramme. Hilfreich sind auch Marketingkenntnisse sowie Auslandserfahrung und Sprachkenntnisse.

Das Handelsgeschäft spielt sich oft auf internationalen Märkten ab, etwa im Einkauf oder in der Logistik. Wichtig sind auch Freude am Umgang mit Menschen, Teamgeist und Verständnis für Zahlen – und immer stärker Interesse an digitalen Prozessen und entsprechende Vorkenntnisse.

Trend zum Online-Shopping

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie haben die Trends zur Digitalisierung und zum Online-Shopping noch einmal verstärkt. „Neben Absolvent:innen mit einem Wirtschaftsabschluss sind Talente für die IT-nahen Positionen besonders gefragt, etwa IT, Einkauf, Category Management, E-Commerce und Online-Marketing sowie Logistik – darin spiegelt sich insbesondere der Trend zum Online-Kauf wider“, erklärt Jasmin Ghadarjani von der REWE Group Österreich.

Im IT-Bereich sucht der Handelskonzern vor allem nach Expert:innen für das IT-Development und das IT-Consulting, etwa als Business Analyst, Team Coach oder Web/App Analyst. IT-Talente haben dabei Aussichten auf Fach- wie Führungskarrieren.

„Je nach Berufserfahrung ist in unseren agilen Teams eine Position bis zum Product Owner möglich“, so die Personalexpertin. Product Owner legen in agilen Teams die zu erledigenden Aufgaben fest und geben dem Entwicklungsteam Feedback – typischerweise ohne selbst in den Entwicklungsprozess einzugreifen.

Der Trend wird weiterhin in Richtung Online-Anwendungen und Digitalisierung gehen (Gregor Smole, Rudolf Leiner).

Die agile Methode kommt auch beim Möbelhandelsunternehmen Rudolf Leiner zum Einsatz, bei dem Gregor Smole als „Product Owner Webshop“ einstieg. Nach seiner Lehre als Einzelhandelskaufmann übte er bereits verschiedene Berufe aus – etwa im Einkauf, der Qualitätssicherung, dem technischen Vertrieb oder der IT – und gelangte dann ins Projekt- und Prozessmanagement.

Als Controller spezialisierte er sich schließlich auf Big Data, Reporting, Datenanalyse und Datenvisualisierung. Berufsbegleitend absolvierte er das Bachelor-Studium „Europäische Wirtschaft und Unternehmensführung“ an der Fachhochschule des BFI Wien sowie das Master-Studium „Industrial Management“ mit der Spezialisierung auf Projekt- und Prozessmanagement, das das Ingenium Education Graz in Kooperation mit der sächsischen Hochschule Mittweida organisiert. Die Präsenzphasen fanden in Neufeld an der Leitha und Mondsee bei Salzburg statt.

Change-Prozesse steuern

„Als Projekt- und Prozessmanager und in meinen Rollen als Controller agiere ich branchenunabhängig. Deshalb reizte mich der aktuell ablaufende Change-Prozess bei Leiner“, berichtet der Master-Absolvent. „Ziel des Prozesses ist die Optimierung der IT-Infrastruktur und die Digitalisierung der Abläufe.“ Auf die Position beim Möbeleinzelhändler aufmerksam wurde Gregor Smole auf einer Online-Plattform. Auf der Agenda stehen unter anderem die technische Weiterentwicklung und Stabilisierung des Webshops und seiner Features, Support für die Fachabteilungen und den Kundenservice sowie die Beteiligung an abteilungsübergreifenden Projekten.

Auch in der Möbelbranche geht es in Richtung Onlineshopping und Digistalisierung in den Filialen.

Die digitalen Transformationsprozesse und Entwicklungen von Omnichannel-Strategien müssen systematisch begleitet werden. Die REWE Group Österreich setzt in der IT crossfunktionale Teams aus den Bereichen IT-Consulting, IT-Development, IT-Operations und IT-Organisation ein. „Hier erarbeiten wir maßgeschneiderte Lösungen für nationale und internationale Kund:innen und Partner:innen von REWE“, erläutert Jasmin Ghadarjani. „So wollen wir gemeinsam den Handel digitalisieren – von Store Solutions und E-Commerce über die Supply Chain bis hin zum Marketing und Customer Relationship Management.“

Kulturwandel in Unternehmen

Bei der Digitalisierung geht es nicht nur um die Einführung neuer Technologien, sie ist vielmehr mit einem regelrechten Kulturwandel verbunden. Die Veränderungen in den Unternehmen sind für langjährige Beschäftigte oftmals eine Herausforderung.

„Jegliche Art von Change Management ist ein langwieriger Prozess, der Kooperationen nicht immer zulässt. Manche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen müssen dabei bisweilen ihre Komfortzone verlassen und bangen dabei vielleicht auch um ihren Job“, berichtet Gregor Smole. „Es muss deshalb klar kommuniziert werden, dass Prozessmanagement eine Optimierung der Arbeitsabläufe mit sich bringt und in Summe sogar zum Jobenrichment wird.“ Der gemeinsam gewonnene Nutzen sind neu geschaffene Transparenz und die Verabschiedung von Insellösungen im Unternehmen sowie „die Bereitstellung der richtigen Informationen für die richtigen Stakeholder zur richtigen Zeit“, so Smole.

Kooperationen mit Start-ups

Der Lebensmittelhandel legte 2021 beim E-Commerce laut einer Statista-Auswertung noch einmal um gut 12 Prozent zu – nach einem satten, coronabedingten Anstieg von fast 38 Prozent im Vorjahr. Der Online-Anteil an den Umsätzen mit Lebensmitteln fällt in Österreich mit 2,5 Prozent jedoch noch niedrig aus. Großbritannien und Frankreich erreichen hier Raten von knapp 14 und 11 Prozent.

Ein Grund für die geringe Online-Quote beim Lebensmittelhandel ist die Dichte an Supermärkten und Discountern, die in Österreich und Deutschland so hoch ist wie kaum irgendwo in Europa. Für den größten Teil der Kundschaft ist es deshalb nicht problematisch, sich im nächsten Laden mit frischen Lebensmitteln zu versorgen. Und für die Handelsunternehmen ist die Lieferung in die entlegeneren Gegenden wegen der aufwendigen Logistik kaum rentabel – das gilt besonders im Lebensmittelhandel mit seinen ohnehin geringen Gewinnmargen.

Derzeit preschen vor allem Start-ups vor und versuchen, beim Online-Lebensmittelhandel möglichst große Marktanteile zu erobern. Eine spätere Marktbereinigung wird hier erwartet. Die großen Handelskonzerne halten sich bei den Hauszustellungen häufig noch zurück oder setzen auf Kooperationen mit den jungen Neugründungen.

Als Alternative etablieren sich im Online-Handel „Click & Collect“-Angebote. Die Waren werden online bestellt und im Laden oder in Pick-up-Stationen abgeholt. So sparen die Handelsunternehmen die hohen Kosten für die „letzte Meile“ und die Kundinnen und Kunden die Gebühren für die Lieferung. Zudem bleibt die Bindung an das Geschäft erhalten.

Augmented Reality im Mode- und Möbelhandel

Der Modehandel setzte schon früh auf die Optionen „Click & Collect“ und „Return to Store“. Wer sich für ein Kleidungsstück interessiert, hat die Möglichkeit, es online auszuwählen und anschließend in einem Prozess in der Filiale abzuholen, anzuprobieren und es dort gleich wieder zu retournieren, wenn es nicht gefällt. Einen deutlichen Schritt weiter geht die Modebranche mit der Integration von „Augmented Reality“ in die Online-Shops. Kann die Kleidung virtuell zu Hause „anprobiert“ werden, gestaltet das den Online-Kauf nicht nur emotionaler, sondern senkt auch die gerade im Modehandel hohen Retourenquoten.

Im Möbelhandel kommt die Augmented-Reality-Technologie ebenfalls zur Anwendung. So lassen sich mithilfe von Apps Möbelstücke virtuell in der eigenen Wohnung platzieren, um einen Eindruck davon zu bekommen, wie gut oder in welcher Ausführung sie dorthin passen. Noch früher greift der Einsatz von 3-D-Simulationen bei der Produktentwicklung. Hier hilft die Technik, flexibel zu entscheiden, welches Design in die Stores gelangt.

Noch viel Potenzial

Die digitale Transformation und die Umsetzung von Multichannel-Konzepten vollziehen sich im Handel ausgesprochen dynamisch. So zog der Möbeleinzelhändler Rudolf Leiner Ende 2020 die Relaunchs der Online-Shops seiner Marken Leiner und Kika vor, nachdem sich die Zahlen der Zugriffe und Käufe während des ersten Lockdowns vervielfacht hatten. Ziel war, ein nahtloses Einkaufen zwischen Online- und stationären Filialen zu ermöglichen.

Im Online-Lebensmittelhandel mischen viele Start-ups mit – es wird mit einer späteren Marktbereinigung gerechnet.

Ein Ende der Entwicklung ist noch lange nicht in Sicht: „Der Trend wird weiterhin in Richtung Online-Anwendungen und Digitalisierung gehen“, ist sich Digitalisierungsexperte Gregor Smole sicher, „und noch weiter entwickeln wird sich die Sammlung und Auswertung von Daten zum Verhalten der Nutzerinnen und Nutzer. Das ungenutzte Potenzial der vorhandenen Datensilos wird den Unternehmen langsam, aber sicher bewusst.“

 Text: Heinz Peter Krieger, Fotos: istock.com – filadendron, ozgurcankaya, Hispanolistic, mixetto

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