Finanzen sind ein virtuelles Gut – der Finanzsektor zählte bei der Digitalisierung deshalb zu den Vorreitern. Doch abgeschlossen ist die Transformation noch lange nicht. Denn auch die Bedürfnisse der Kunden ändern sich laufend, und ihre Ansprache über verschiedene Online- und Offline-Kanäle bleibt eine Herausforderung. Entsprechend spannend sind die Aufgaben für IT-Absolventen.

Die Digitalisierung trifft den Bankensektor mit voller Wucht, stellte die Unternehmensberatung Bain & Company bereits vor einigen Jahren fest – und die Prognose hat sich mehr als bewahrheitet. Für Kunden das sichtbarste Zeichen ist das dünner werdende Filialnetz. Jede vierte Bankfiliale in Österreich wurde seit dem Jahr 2000 geschlossen. Bis 2019 sank ihre Zahl von 5.479 auf 4.140, teilte die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) mit.

Dass die Corona-Krise diesen Trend noch verschärfen wird, zeichnet sich bereits ab. Kein Wunder: Geld ist ein virtuelles Gut, die Bereitschaft, Finanzgeschäfte online zu führen, bekommen Banken und Versicherungen deshalb besonders stark zu spüren. Die Konkurrenz durch Direktbanken oder FinTech-Unternehmen kommt noch hinzu.

Um Kunden wahlweise am Beratungsschalter, im Online-Banking oder in der App zu halten, sind Multi-Channel-Strategien gefragt. „Unser Geschäft hat sich in den vergangenen Jahren sehr stark verändert und weiterentwickelt. Heute ist es in eine umfassende Multikanal-Strategie eingebettet“, bestätigt Mauro Maschio, Vorstand Privatkundenbank der UniCredit Bank Austria. „Die Digitalisierung sehen wir als Treiber für den Wandel. Indem wir uns entlang der sich rasch ändernden Bedürfnisse unserer Kundinnen und Kunden bewegen, sind wir zur führenden Multikanal-Bank in Österreich geworden“, so der Finanzexperte weiter.

Versicherungen: Kostensenkung durch Prozessoptimierung

Wenn es um den Abschluss einer Versicherung geht, steht dagegen laut einer Umfrage der Beratungsgesellschaft EY die Hälfte der Österreicher einer Online-Beratung noch ablehnend gegenüber. Die meisten bevorzugen den persönlichen Kontakt zu ihrem Versicherungsberater, bei dem im Jahr 2018 auch 56 Prozent der Kunden ihre Versicherung abgeschlossen haben. Auch bei der Suche nach Informationen vertrauen sich 40 Prozent der Befragten am liebsten ihrem Versicherungsvertreter an. Online-Vergleichsportale (15 Prozent) und Suchmaschinen (14 Prozent) landeten weit dahinter.

Die Aufgaben des klassischen Versicherungsvertreters werden also vorerst nicht auf der Strecke bleiben. Dennoch gilt es für die Versicherungsgesellschaften, ihre Infrastrukturen effizienter zu gestalten und Prozesse zu digitalisieren und zu optimieren, denn hier liegt großes Potenzial für Kosteinsparungen. Gerade für Konzerne mit historisch gewachsenen, komplexen IT-Landschaften ist das häufig eine große Herausforderung. Die Krankenversicherungsträger befassen sich zudem intensiv mit dem Thema „Digital Health“, etwa über die elektronische Gesundheitsakte ELGA oder die Einführung telemedizinischer Dienste.

Längst nicht alle Versicherungsanbieter stellen ihren Kunden bereits einen Online-Zugang zur Verfügung, mit dem sie etwa Schadensmeldungen durchführen oder ihre persönlichen Daten verwalten können. An einem ganzheitlichen Überblick über alle Marken und Produkte wird die Versicherungswirtschaft ebenfalls nicht vorbeikommen. Denn das beschleunigt Vergleiche und den Abschluss von Versicherungen – wenn nicht bei der eigenen Gesellschaft, dann bei der Konkurrenz. Strategisch denkende IT-Experten mit breitem Fachwissen sind in der Versicherungsbranche deshalb äußerst begehrt.

Spagat zwischen Online- und Offline-Beratung

Verlagert sich der Kontakt zum Kunden in die Online-Welt, verändert das nicht nur die Art der Kommunikation. Auch die dahinterliegenden Prozesse und Geschäftsmodelle müssen vollkommen umgestaltet werden.

„Der Trend geht dahin, Banking über Applikationen zu steuern und die Möglichkeit der Beratung auf andere Kanäle als den persönlichen Kontakt zu verlagern“, erklärt Christoph Brunnbauer, Business Analyst bei „s IT Solutions Austria”. Das Tochterunternehmen der Erste Group ist IT-Dienstleister der Erste Bank und der Sparkassen in Österreich. „Ich denke, dass diese Entwicklung sehr positiv für ‚digitale‘ Generationen ist, die bereits in jungen Jahren an den Umgang mit Smartphones und Computer gewöhnt sind. Ältere Zielgruppen zögern verständlicherweise bei diesem Umstieg“, so Brunnbauer.

Für die Banken bedeutet das einen notwendigen Spagat und führt dazu, dass die digitale Transformation sich langsamer vollzieht, als es technisch möglich wäre. Dennoch: „Die vermehrte digitale Nutzung bedeutet für uns als Bank keineswegs eine Lockerung des Kundenkontakts, ganz im Gegenteil – in erster Linie ergeben sich dadurch sehr viele zusätzliche Kontaktmöglichkeiten“, erklärt Mauro Maschio.

Digitale Skills

Bei Absolventen, die sich für den Einstieg in den Finanzsektor interessieren, sind große Offenheit und viel Flexibilität gefragt, um die Herausforderungen der digitalen Transformation angehen zu können. „Digitale Lösungen für unsere Kunden werden permanent weiterentwickelt. Wir wünschen uns Experten und IT-Fachkräfte mit einem digitalen Mindset. Es geht aber auch um die Fähigkeit, die digitalen Skills aller Mitarbeiter zu fördern“, so der Vorstand der Bank Austria. „Alltägliches muss unkompliziert, schnell und einfach und gleichzeitig qualifizierte Beratung immer möglich sein. Die Kundenbedürfnisse ändern sich – und wir entwickeln uns mit ihnen.“

Christoph Brunnbauer wurde auf seinen heutigen Arbeitgeber das erste Mal bereits durch ein Ferialpraktikum während der Gymnasialzeit aufmerksam. Nachdem er sein Bachelorstudium in Wirtschaftsinformatik an der Fachhochschule Technikum Wien abgeschlossen hatte, stieß er in einer Online-Jobbörse wieder auf eine Stellenausschreibung der s IT Solutions Austria. Er bewarb sich und konnte, unterstützt durch einen internen Job Coach, bei dem IT-Dienstleister starten.

Am Finanzsektor reizten den heute 26-Jährigen neben der Vielzahl an (virtuellen) Produkten und Aufgaben die Möglichkeiten, sich weiterzuentwickeln. Aktuell absolviert er ein berufsbegleitendes Double-Degree-Masterprogramm in Wirtschaftsinformatik, das die FH Technikum Wien gemeinsam mit ihrer Partnerhochschule HSE Moskau durchführt.

Herausforderung Cyber-Sicherheit

Das Vertrauen der Kunden in die digitalen Angebote von Banken und Versicherungen steht und fällt mit der Sicherheit der Systeme und Daten. Das Thema Cyber-Sicherheit steht deshalb überall ganz oben auf der Agenda. Hier liegt auch der Aufgabenbereich von Christoph Brunnbauer: Als Solution- und Business-Analyst im Betrugsbereich ist er für die Analyse von Geschäftsanforderungen und von verdächtigen Transaktionen zuständig: „Dabei bin ich auch an der Weiterentwicklung des internen Betrugssystems zum Schutz der Kunden und der Bank beteiligt. Ich werte periodische Daten aus, untersuche die Umsetzung von Anforderungen zur Verbesserung, kommuniziere kontinuierlich mit Business-Partnern und Programmierern und erstelle Reports und Präsentationen.“

Zu Beginn seiner Tätigkeit bei der IT-Tochter der Erste Group musste der Wirtschaftsinformatiker sich zunächst in das gesamte Umfeld, die Datenbasis und die Interaktion mit anderen Applikationen einarbeiten: „Dieser Bereich ändert sich ständig und es müssen kontinuierlich innovative Technologien erkundet werden. Das Interessante an den Projekten ist, dass man Betrugsschemata von Angreifern mitbekommt und ein Bild davon hat, wie Kunden in diesen Fällen agieren. Daraus lassen sich Schlüsse ziehen, an welchen Stellschrauben gedreht werden soll, um Betrugsversuche in der Bank zu verhindern und das System entsprechend auszurichten“, so der IT-Spezialist.

Neue Einsatzbereiche für Absolventen

Die IT-Teams der UniCredit Bank Austria sind aktuell mit einer ganzen Bandbreite von Aufgaben beschäftigt. Mauro Maschio nennt die Optimierung und Digitalisierung interner Prozesse, die Automatisierung von Prozessketten durch Artificial Intelligence, aber auch die Entwicklung neuer digitaler Lösungen und Produkte sowie neuer Kommunikations- und Vertriebskanäle.

„Absolventen, die Kenntnisse zu Artificial Intelligence, biometrischen Daten oder Blockchain mitbringen, sind für uns immer interessant, ganz abgesehen vom Feld der IT-Security. Aber auch die Kompetenz zur digitalen Kundenbetreuung ist für uns sehr wichtig“, so Maschio. IT-Experten und Absolventen mit digitalen Skills suche das Bankinstitut direkt für den IT-Bereich, aber auch im Produktmanagement, Multikanal-Management oder im Bereich Finance und im Risikomanagement, „ebenso in für ITler noch recht untypischen Gebieten wie Marketing oder Human Capital.“

Persönliche Kompetenzen einbringen

Die fachlichen Anforderungen unterscheiden sich dabei je nach Jobprofil. „Uns kommt es darauf an, dass die Person zu unserem Unternehmen und zu unserer Kultur passt. Wichtig sind uns Offenheit, Flexibilität und die Bereitschaft, die Kompetenzen laufend weiterzuentwickeln. Dies erfordert ein hohes Maß an Sozialkompetenz“, betont Maschio, selbst Wirtschaftsabsolvent an der Universität Bocconi in Mailand.

Neben der Kenntnis von Technologien und dem Interesse an Innovationen stellt auch Wirtschaftsinformatiker Brunnbauer persönliche Skills heraus, die beim Einstieg in den Finanzsektor von Vorteil sind: „Es ist hilfreich, wenn man eine aufgeschlossene Person ist, die nicht starr auf ihrer Denkweise beharrt, und versucht, von erfahrenen Kolleginnen und Kollegen zu lernen. Wegen des kontinuierlichen Abstimmungsbedarfs sollte man auch eine kommunikative Ader mitbringen und sich nicht davor scheuen, aktiv Vorschläge einzubringen.“ Denn Innovationen umzusetzen, ist im Finanzsektor mehr denn je alltäglich.

Banken und Versicherungen in Zahlen

58 % der Bevölkerung Österreichs nutzte 2019 laut einer Umfrage der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) Online-Banking. Zum Vergleich: In den skandinavischen Staaten und den Niederlanden liegen die Werte über 80 %. 62 % der Nutzer von Online-Banking in Österreich verwendeten zumindest zusätzlich ein Smartphone oder ein Tablet. Nur 8 % der Befragten nutzten mobile Bezahlverfahren (Mobile Payment).

73.000 Menschen waren 2019 in Österreich im Bankwesen beschäftigt. Damit ging die Zahl innerhalb von zehn Jahren um gut 5.000 zurück. Personalabbau erfolgte vor allem über Pensionierungen, die entweder gar nicht oder mit Teilzeitkräften ausgeglichen wurden. Die Zahl der Teilzeitkräfte stieg auf etwa 23.000.

14,9 Milliarden Euro erhielten Versicherungskunden in Österreich 2019 an Leistungen aus ihren Verträgen – etwa aus Lebensversicherungen, einer privaten Krankenversicherung oder als Wiedergutmachung für entstandene Schäden. 60.000 Mitarbeiter waren in der Versicherungsbranche beschäftigt, so die Angaben des Verbands der Versicherungsunternehmen Österreichs (VOO).

Text: Heinz Peter Krieger

Spannende Artikel für dich:

Unimag Network
Alle Karrieremessen 2023 in Österreich

Österreichs Messen lassen die Corona-Tristesse hinter sich. Hybride Formate und Online-Messen verschwinden nach und nach aus dem Messekalender, die Hallen dagegen füllen sich wieder. Eine Übersicht über alle Jobmessen, Karrieremessen und Bildungsmessen 2023 in Österreich von UNIMAG. Do, 2. März bis So, 5. März 2023, BeSt³ Wien 300 Unternehmen, Universitäten, Ministerien ...[weiterlesen]

Unimag Network
Top-Branchen für Wirtschafts-Absolvent:innen

„Der aktuelle Arbeitsmarkt ist quer durch alle Branchen krisengebeutelt“, sagt Ursula Axmann, Geschäftsführerin des WU ZBP Career Centers an der WU Wien. Wäre der Satz zu einer anderen Zeit gefallen, etwa während der jüngsten weltweiten Finanzkrise ab 2007, wäre er wohl noch ganz anders gedeutet worden: als Krise für Stellensuchende und drohende Arbeitslosigkeit selbst für gut qual...[weiterlesen]

Unimag Network
Wirtschaftsprüfer/in – das ist genau das Richtige für dich!

Die Prüfung der Rechnungslegung und Berichterstattung von Unternehmen steht im Zentrum der Tätigkeiten von Wirtschaftsprüfer/innen. Dabei werden nicht nur Zahlen kontrolliert und verglichen, sondern man taucht tief in die jeweiligen Unternehmen ein, bekommt einen detaillierten Einblick in die Funktionsweisen und lernt alle wichtigen Prozesse kennen – und die Menschen, die hinter den Z...[weiterlesen]

Traineeprogramme
Direkteinstieg oder Traineeprogramm

„Das Traineeprogramm bot mir die Möglichkeit, ein Unternehmen über Jobrotations ganzheitlicher kennenzulernen als bei einem Direkteinstieg in einer Fachabteilung.“ So begründet Marlene Huber, warum sie sich nach ihrem Studium für einen Einstieg als Trainee bei der Erste Group Bank AG entschied und ihre Karriere nicht direkt auf einer festen Position startete. „Außerdem hatte ich Gelegenhe...[weiterlesen]

Unimag Network
Das große UNI & FH ABC

Die Matura in der Tasche, hinter dir liegt der Sommer deines Lebens und jetzt ist es endlich soweit: Die Uni beginnt. Herzlichen Glückwunsch! Dir stehen ein paar richtig coole Jahre bevor! Um dir den Einstieg etwas zu erleichtern, haben wir den ultimativen Survival-Guide inklusive praktischer Checklisten für dich erstellt. So bist du für jede Situation gerüstet! PS: Auch ältere Semester können hier...[weiterlesen]

UNIMAG in deinen Posteingang?

Gewinnspiele, Karrieretipps, Studentenleben, Festivals uvm,

UNIMAG-Handy
UNIMAG Lap Top
UNIMAG Magazin