Das Coronavirus hat Hochschulen und Arbeitswelt weiter im Griff. Besonders betroffen ist die Messe- und Veranstaltungsbranche. Zwar dürfen seit September in Österreich wieder Publikumsmessen stattfinden. Die Organisation einer großen Messe verlangt jedoch erhebliche Vorlaufzeit. Zahlreiche für den Herbst 2020 geplante Messen waren deshalb längst verschoben oder abgesagt.
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Das betraf auch einige Karrieremessen in Österreich, von denen viele traditionell im Herbst terminiert sind. Manche Messen finden dagegen unter den jeweiligen Hygiene- und Sicherheitsvorgaben statt. Andere Veranstalter gehen neue Wege: Sie planen ihre Messen zweigleisig als Präsenzveranstaltung vor Ort und als Online-Event oder sie verlegen sie gleich ganz in den digitalen Raum, wie etwa die (Web-)Excellence in Graz, die FH-Karrieremesse in Wels oder die größte Karrieremesse in Österreich, die Career Calling der Wirtschaftsuniversität Wien und der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU).
Online-Messe als Plan A
Heike Schreiner, Geschäftsführerin des WU ZBP Career Centers an der WU Wien, erinnert sich an die Entscheidung: „Nach den Osterfeiertagen haben wir erstmals im Team besprochen, dass wir uns eine Alternative zu einem physischen Event einfallen lassen müssen. Ziemlich rasch stand fest, dass dies dann kein Plan B, sondern ein Plan A sein muss. Wir wollten nicht an zwei Projekten arbeiten und das Live- gegen ein Online-Event ins Rennen schicken.“ Die Verantwortlichen setzten auf eine auf jeden Fall machbare Variante. Das Ergebnis sind die „Career Calling Digital Days“, die am 21. und 22. Oktober virtuell stattfinden werden.
Bei der Vorbereitung des Online-Events ging es darum, die Grundkonzeption einer Karrieremesse zu erhalten: Arbeitgeber sollen auf Studierende zugehen können und Studierende auf Arbeitgeber. „Aber natürlich lassen sich die beiden Messen nicht miteinander vergleichen. Uns war klar, dass wir das Event nicht einfach kopieren und von einer physischen in eine digitale Variante umwandeln können“, so Schreiner.
Spontane Kontaktaufnahme und terminierte Chats
Wichtig war dem Organisationsteam, dass auch online eine spontane Kontaktaufnahme möglich bleibt. Dies kann über den virtuellen Messestand in Form eines Gruppen-Chats erfolgen. Über 1:1-Chats können die Teilnehmer individuell mit Unternehmen kommunizieren. Arbeitgeber bieten fixe Timeslots für geplante Gespräche, die von den Studierenden angefragt werden können.
„Sowohl Studierende als auch Arbeitgeber sind mit ihrem Profil online – ganz safe im Talentpool. Dort können sie miteinander Kontakt aufnehmen“, erklärt Heike Schreiner. Dazu gesellt sich das ganze Rahmenprogramm, das sonst eine Karrieremesse in einer brummenden Messehalle ausmacht: von Video-Tutorials über Keynote-Speaches bis zu online abrufbaren Podiumsdiskussionen und Live-Workshops ist alles dabei.
Dabei sieht die Geschäftsführerin des Career Centers der WU Wien auch Vorzüge der digitalen Durchführung der Messe: Alle Teilnehmer können ortsunabhängig agieren und sich für die Online-Messe einen klaren Zeitplan zurechtlegen. Außerdem sind die Hürden vor einer Kontaktaufnahme niedriger, so die Erfahrung von Heike Schreiner: „Die Transparenz durch die online sichtbaren Profile macht es den Teilnehmenden leichter, aufeinander zuzugehen.“
Gespannt ist sie, ob eine Online-Messe ähnliche Aha-Effekte und Erlebniswerte vermitteln kann, wie ein Veranstaltungsort mit vollen Bühnen und vielen Besuchern. „Es braucht mehrere Reize, um die Aufmerksamkeit von Menschen zu aktivieren. Auf einer Live-Messe kommen zu dem Erleben des ‚großen Ganzen‘ Eindrücke wie die Geräuschkulisse, Gerüche und die unmittelbare Interaktion mit anderen. Das ist einfach ein klarer Vorteil.“
Auf Online-Messen vorbereiten
Seit Beginn der Corona-Krise überführte das Organisationsteam der Career Calling schon andere Live-Events in eine digitale Form, etwa das Recruiting-Event „Meet your Job“ oder (unter dem Motto „Sofa-Surfer meets Arbeitgeber“) die „Careers of Tomorrow“.
„Die Erfahrungen, die wir hier gesammelt haben, konnten wir auch in die ‚Career Calling Digital Days‘ einbringen. Das reicht von der Wahl der passenden Online-Tools, die Einstellungen von Kameras und Mikrofonen bis zu rechtlichen Fragen, gerade was den Datenschutz angeht. Manche Fragen kamen uns anfangs banal vor, zeigten uns aber, wie wenig vorbereitet wir auf diese hundertprozentige Digitalisierung waren“, erinnert sich Schreiner.
Wenn die virtuelle Messe sich lohnen soll, müssen sich nicht nur die Veranstalter, sondern auch die Besucher ganz anders darauf vorbereiten. Die technische Seite ist dabei sogar einfacher zu handhaben: „Es ist wichtig, die eigenen Webcam- und Mikro-Einstellungen zu testen, bevor man sich in einen Chat begibt. Dabei sollte man auch darauf achten, was außer der eigenen Person im Bild zu sehen ist“, rät Heike Schreiner. Viele Tools ermöglichen es, einen virtuellen Hintergrund einzublenden. Letztlich kommt es darauf an, wie viel Privates man im Chat preisgeben möchte – und das sollte vorher gut überlegt sein.
Schwieriger Small Talk
Schon schwieriger ist, die Selbstpräsentation in einem Video-Chat einzuüben. „Wie beim Besuch eines ‚realen‘ Messestands sollten Teilnehmer eines virtuellen Events in der Lage sein, sich selbst kurz vorzustellen und einen kurzen Einblick in den bisherigen Werdegang zu geben. Auch Fragen an den Arbeitgeber sollten sie parat haben“, so Heike Schreiner. „Das ist nicht zu unterschätzen, weil bei virtuellen Gesprächen der Small Talk deutlich schwerer ist und meist kürzer ausfällt. Bei virtuellen Meetings kommt man gerade in 1:1-Chats schneller auf den Punkt.“
Sinnvoll ist deshalb, sich vorab bei einer Selbstpräsentation zu filmen und sich das Ergebnis alleine oder mit guten Freunden anzusehen. „Meist erkennt man sofort, ob die Präsentation sitzt oder man sie noch einmal üben sollte“, so die Erfahrung der Bewerbungsexpertin. Wer sich auch dann mit der eigenen Online-Präsentation noch nicht sicher und wohlfühlt, kann für den ersten Kontakt auf der Online-Messe Formate wie Gruppen-Chats wählen, bei denen eher passiv zugehört werden kann.
Digitaler Kontakt nach der Messe
Nach einer Online-Messe mit einem Arbeitgeber Kontakt aufzunehmen oder ihn fortzuführen, ist meist sogar leichter als nach einer Präsenzveranstaltung, denn das erste Zusammentreffen erfolgte bereits digital. Viele Unternehmen bieten auch die Möglichkeit, sich in eigene Talentpools einzutragen. Das eröffnet die Chance, schon von spannenden Jobs zu erfahren, bevor sie in Stellenbörsen ausgeschrieben werden.
Die Personalbereiche sind darauf vorbereitet: „Viele Arbeitgeber sehen auch in der Krise eine Chance und denken bereits an 2021 und die Folgejahre. Sie hatten den großen Wunsch, über die ‚Digital Days‘ in Verbindung zu Studierenden, Absolventen und Absolventinnen zu bleiben. Da ist es uns gelungen, Vorbehalte aufzubrechen und die Möglichkeiten aufzuzeigen, die ein virtuelles Event heute bietet“, berichtet Heike Schreiner. Viel weiter möchte sie in der Glaskugel noch gar nicht schauen: „Ich denke, dass viele Elemente der Online-Messe nach Corona Bestand haben werden – aber das persönliche Live-Treffen ist auf Dauer nicht zu ersetzen.“
Checkliste – 11 Tipps für den virtuellen Messebesuch
- Zeitplan erstellen: Welche Präsentationen, Podiumsdiskussionen oder andere Programmpunkte interessieren dich? An welchen Chats möchtest du teilnehmen?
- Eine Liste der für dich interessanten Unternehmen aufstellen, ihre Websites besuchen und Informationen sammeln.
- Üben, dich online vorzustellen und zu präsentieren: Denn in Video-Chats fällt die Small-Talk-Phase meist kürzer aus und man kommt schneller auf den Punkt.
- Fragen vorbereiten, die du im Video-Chat stellen möchtest.
- Eigene Antworten überlegen: Welche Bereiche interessieren dich – und warum?
- Rahmenbedingungen prüfen: Für eine ruhige, störungsfreie Atmosphäre und gute Lichtverhältnisse sorgen sowie einen unauffälligen Hintergrund wählen.
Technischer Check: Die Internetverbindung muss stabil und der Akku geladen sein. Webcam, Mikrofon und Lautsprecher müssen einwandfrei funktionieren. - Outfit wählen: Auch bei einer virtuellen Messe sollte die Kleidung zur Branche, aber auch zu dir selbst passen – und sich gut vom gewählten Hintergrund abheben.
- Notizen machen: Die wichtigsten Fakten über Unternehmen, Ansprechpartner und Jobs direkt festhalten.
- Nach der Online-Messe: Bei interessanten Arbeitgebern in die Bewerber-Datenbank eintragen, den Newsletter abonnieren und den Social-Media-Kanälen folgen – so verpasst du keinen spannenden Job.
- Online bewerben: Beziehe dich mit einem freundlichen Dank auf den Chat oder die Präsentation während des Online-Events.
Text: Heinz Peter Krieger