Prüfungen bestimmen weitgehend den Uni-Alltag. Was aber tun, wenn Prüfungsangst die Leistungsfähigkeit beeinträchtigt und einen Leidensdruck verursacht? Kathrin Wodraschke, stellvertretende Leiterin der psychologischen Beratungsstelle für Studierende, stand uns Rede und Antwort.
Aufregung und Nervosität vor einer Prüfung sind normal. Wie äußert sich Prüfungsangst?
Das stimmt, Nervosität hat so ziemlich jeder Studierende und kann auch leistungsfördernd sein. Wenn aber die Stress- und Angstsymptome stärker werden und sie das Leistungsverhalten sehr stark beeinflussen, spricht man von einer Prüfungsangst.
Wie macht sich Prüfungsangst bemerkbar?
Betroffene haben bereits vor der Prüfung massive Beeinträchtigungen beim Lernen, auch psychosomatische Beschwerden wie Schlaflosigkeit, nervöse Unruhe, lähmende Müdigkeit, Essstörungen, Herzrasen, Übelkeit und Schweißausbrüche treten auf. Wer sich dann trotzdem in die Prüfung schleppt, hat vor Ort möglicherweise Denkblockaden und Blackouts. Genau genommen ist Prüfungsangst die Angst vor dem Versagen in der Prüfung.
Wie kann sich dieses Angstgefühl zeigen?
Die Gründe sind unterschiedlich. Eine reale Angst zeigt sich in schwer erfüllbaren oder wenig transparenten Prüfungsanforderungen, schlechter Vorbereitung oder Zeitknappheit bei der Prüfung. Aber selbstverständlich auch in einer Angst, sich zu blamieren, oder der Angst vor der eigenen Selbstabwertung. Dennoch ist Prüfungsangst nur ein Faktor, auch Leistungsdruck, Konzentrationsprobleme und Vermeidungsverhalten spielen hinein.
Gibt es Geschlechterunterschiede?
Betreffend Prüfungsangst kann man das nicht sagen. Laut unserem letzten Tätigkeitsbericht waren über 65 Prozent aller Klienten Studentinnen. Was man festhalten kann, ist, dass Angst unterschiedlich gezeigt wird. Frauen geben Ängste eher früher zu, Männer versuchen das zu Beginn eher zu überspielen.
Wie viele Betroffene gibt es?
Prüfungsangst wird nicht gesondert erhoben und fällt in den so genannten psychischen Bereich und Persönlichkeitsbereich. Im vergangenen Jahr betraf dieser Bereich rund 42 Prozent aller Klienten. Ich schätze, dass rund 25 Prozent mit einer Angstsymptomatik zu uns kommen.
Was sind die Ursachen von Prüfungsangst?
Die sind sehr vielfältig. Es kann gelernt sein, beispielsweise wenn man schlechte Erfahrungen gemacht hat, oder es kann eine Angst vor Blamage sein, oder auch die Angst davor, dass einem der Prüfer etwas Böses will. Eine Angst kann aber eben auch real sein, wenn die Prüfung wirklich sehr schwer ist und es eine Durchfallquote von 70 Prozent gibt oder der Lernstoff hunderte Seiten umfasst.
Sind Sie im Kontakt mit jenen Instituten, an denen die Quote wirklich so hoch ist?
Nein. Wir arbeiten vollkommen unabhängig und wir unterstehen dem Ministerium und nicht den Unis. Unsere Aufgabe ist es, den Menschen zu helfen und nicht auf Curricula der Institute einzuwirken. Was wir aber sehr wohl machen, ist, Rückmeldungen beim Ministerium zu deponieren.
Wie läuft die psychologische Studierendenberatung ab?
Wir verstehen uns als Servicestelle, die neben psychologischer Betreuung auch problemvorbeugende Maßnahmen durchführt. Zuallererst wird in persönlichen Gesprächen dem Problem (möglichen Auslösern) auf den Grund gegangen. In sehr vielen Fällen ist es eine Mischung aus nicht richtig lernen, zu spät anfangen, dann richtig intensiv alles in sich hineinpauken. Am Prüfungstag wird alles durcheinander gebracht bzw. man hat ein Blackout. Hier können wir durch Tipps helfen, also mit gut gestalteten Rahmenbedingungen, geschickter Arbeitsorganisation und schlauen Lerntechniken. Wenn sich aber herausstellt, dass die Angst sehr weit zurückreicht und auch andere Themen in die Angst hineinwirken, werden externe Beratungsstellen und Psychotherapeuten herangezogen. In sehr vielen Fällen spielt natürlich auch die Studienwahl eine nicht unwesentliche Rolle. Wen ein Studium überhaupt nicht interessiert „und es – aus welchen Gründen auch immer – durchgezogen werden muss, werden sich Betroffene auch nicht unbedingt in die Prüfungsvorbereitung hineinknien. Hier kommen Faktoren wie fehlende Motivation, Blamage vor Familie usw. zusammen. Das alles versuchen wir zu besprechen, immer im Zusammenhang mit einem Aufbau von kontinuierlichem Lernverhalten.
Das heißt, ich kann bei Ihnen Lernen lernen?
Genau. Man kann bei uns ein Lerntraining machen, gezielte Vorbereitungs- und Bewältigungsstrategien lernen, die auch Arbeitsplanung, Selbstorganisation und ein geschicktes Zeitmanagement umfassen.
Sind die Trainings kostenlos?
Ja, die gesamte psychologische Studierendenberatung ist kostenfrei.
Wie kann man Prüfungsangst bewältigen?
Man muss auf jeden Fall ausreichende Lernzeit einplanen, sprich: wenn ich gut vorbereitet bin, dann schaffe ich die Prüfung. In diesem Fall bieten wir die bereits angesprochenen Lerntrainings an. Natürlich muss man auch an seiner persönlichen Einstellung arbeiten. Wer Erfolg erhofft, aber unbewusst eine Niederlage befürchtet oder sogar erwartet, fördert mit dieser Haltung ein tatsächliches Versagen.
Die Psychologische Studierendenberatung ist eine psychosoziale Einrichtung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung zur Unterstützung von Studierenden und Studieninteressierten durch psychologische und psychotherapeutische Mittel. Standorte & alle Infos: www.studierendenberatung.at