Apparat + Modeselektor = Moderat = German Supergroup of Elektronische Tanzmusik. Ziemliche einfache Gleichung und ziemlich gute Musik, die Gernot Bronsert und Sebastian Szary von Modeselektor und Sascha Ring von Apparat da gemeinsam machen. Vier Jahre nach dem 2009er Debüt, ist nun am 2. August mit „II“ der Nachfolger erschienen. Anlass genug, mit zweidrittel der Herren, nämlich Gernot und Szary von Modeselektor, mal ein wenig zu plaudern. Wer allerdings nach fundierten Fakten zu Moderat sucht, sollte sich lieber das Album anhören und sich das Ganze live anschauen, denn ganz so viel wurde dann doch nicht verraten.
Bei euch läuft es ja dieses Jahr mehr als gut: Erst erschien im Mai eure DVD „We Are Modeselektor“ und dann kommt noch mit Moderat eines der meist erwarteten Elektroalben des Jahres. Zuerst mal zur DVD: Was bekommt man da darauf zu sehen? Und inwiefern unterscheidet sich „We Are Modeselektor“ von anderen Musikdokus? Zb. der Tour-Doku „A Cross The Universe“ über Justice, die euch vom Gefüge sehr ähnlich sind?
Szary: Also, das Ganze ist ja nicht auf unserem Mist gewachsen, falls jetzt wer denkt „Oh größenwahnsinnige Berliner DJs müssen gleich ne Doku machen“. Die beiden Filmemacher Romi Agel and Holger Wick sind auf uns zugekommen. Holger Wick ist uns über die Jahre immer mal wieder über den Weg gelaufen und da hatte sich schon einiges an Material angesammelt.
Gernot: Und dann tauchte noch superaltes Filmmaterial auf, das schon so 20 Jahre alt war. Das waren die Materialien, die da am Anfang waren und aus denen dann die Idee zur DVD entstand. Von mir gibt es übrigens eine schöne Aufnahme, da bin ich noch um einiges jünger und trage eine bunt gemusterte Mütze. Dann gibt’s auf der DVD einen Cut zu einem Bild von heute und da trage ich auch so ne Mütze. Im Kino lachen dann immer alle.
S: Wir waren sehr überrascht, als wir den Film dann gesehen haben, was da so alles an Aufnahmen dabei war. Wir durften nämlich erst schauen, als er fertig war.
Hat euch das nicht völlig verrückt gemacht, dass die beiden die ganze Zeit um euch herumgerannt sind, alles gefilmt haben, ihr aber nie gucken durftet?
S: Wir haben schon eine ungefähre Timeline gehabt, was wann passiert. Ab und zu hat dann das Telefon geklingelt: „Du, wie war das damals da und da – Ok, Danke, Tschüß.“, die wollten dann manche Sachen nochmal wissen, um eben eine Chronologie in das Ganze zu bringen.
G: Wir saßen zu der Zeit übrigens im Studio und haben Moderat aufgenommen und waren dann immer von diesen wirren Anrufen ziemlich belustigt. Nur Sascha (Apparat Anm. d. Red.) nicht so wirklich.
Ihr wurdet ja auch vor, während und nach Konzerten, auf Tour, im Hotel gefilmt – fühlt man sich da nicht permanent beobachtet und verfolgt? Und kann man sich da noch normal benehmen oder verstellt man sich da?
G: Die meisten Bilder sind ja schon Konzertmitschnitte oder in Situationen gemacht, in denen sowieso einige Leute um uns herum waren. Privates wurde eigentlich so gut wie gar nicht gefilmt. Und wenn wir jetzt auf nem Konzert spielen oder Interviews geben, stehen wir ja immer unter Beobachtung. Ob da dann eine Kamera mehr oder weniger ist, merken wir dann gar nicht mehr.
S: Klar, man bekommt da schon so kleine Macken, wie man das auch von Künstlern kennt, die das alles schon lange machen; dass man dem Gegenüber nicht mehr beim Reden in die Augen schauen kann und so. Aber auch daran gewöhnt man sich.
Wie war es dann, als ihr die Doku dann zum ersten Mal gesehen habt? Haut das einen völlig um und denkt man da dann „Krass, Alter, was wir schon alles gemacht haben!“?
S: Das hat sich schon wahnsinnig „echt“ angefühlt, mit der ganzen Musik und dem Schnitt und quasi der ganzen Inszenierung, von der wir ja nichts wirklich wussten.
G: Ich hatte zuerst ein wenig Bauchschmerzen, als ich ihn gesehen hab. Ich fands erstmal doch ganz schön privat. Wir haben da ja nichts inszeniert, wie so ein wohlbekanntes, französisches DJ-Duo, welches Du vorher mal erwähnt hast. Bei denen ist die Doku gestellt, man sieht nicht die Menschen hinter der Band. Und das wollten wir genau nicht. Wir sind ja nur zwei ganz normale Typen, die ihren Job machen.
S: Und auch nur mit Wasser kochen. Nicht mit Moet, den spritzen wir nur ins Publikum.
Wenn man sich so durchliest, wer auf der DVD zu Wort kommt, klingt das wie ein Poesiealbum, in das jeder eurer Wegbegleiter etwas reingeschrieben hat. Wusstet ihr, wer da alles zu Wort kam?
G: Nee, wir haben das gar nicht wirklich mitbekommen, wir waren komplett abgeschottet im Studio eben für das Moderat, als da losinterviewt wurde. Angenehm fanden wir, dass da kein einziges Mal der Name Thom Yorke fiel oder sonst irgendwelche Künstler, mit denen wir schon gearbeitet haben, sondern dass das nur um uns ging und kein Namedropping betrieben wurde, um unsere Kunst zu rechtfertigen.
S: Eigentlich haben sie nur sechs Leute gefragt, die wirklich eng mit uns zusammenarbeiten, wie Apparat-Sascha, Ellen Allien, unsere besten Freunde, unsere Managerin und Bookerin. Das waren wirklich nur unsere engsten Leute. Unser ganz ehrliches Umfeld, wir verabscheuen Oberflächlichkeit sehr.
Ihr macht jetzt seit über 20 Jahren zusammen Musik, seid ständig zusammen unterwegs und seid noch länger befreundet. Das klingt nach altem Ehepaar oder zumindest Brüderschaft. Wie lange haltet ihr es ohne einander aus? Bzw. wann braucht ihr eine Pause voneinander / wann fliegen da mal so richtig die Fetzen?
G: Hast Du eine Schwester?
Ja, habe ich.
G: Dann weißt Du wie das bei uns ist! Szary ist vier Jahre älter und ich kenne ihn, seit ich in der dritten Klasse war.
S: 1996 haben wir dann angefangen, Musik zu machen. Also schon ne ganze Weile. Unsere Eltern kennen sich auch, so ist das eben in der Kleinstadt, aus der wir kommen – am Rand von Berlin.
Mochtet ihr euch dann in der Schule schon oder war Gernot da noch zu uncool für Szary?
G: Nein, da waren ja Universen zwischen uns! Ein Siebtklässler interessiert sich schon für Mädchen, ein Drittklässler klettert auf Bäume und spielt mit Schnecken.
Braucht ihr manchmal dann auch ne Pause voneinander?
S: Wir haben schon Pausen voneinander. Die ergeben sich aber auch ganz natürlich.Aber da gibt es dann so Momente, in denen ich denke „Oh, ich muss Gernot mal anrufen“ und dann wird telefoniert.
G: Aber ehrlich gesagt, erfahr ich am meisten über sein Privatleben und er über mein Privatleben durch unsere Frauen, denn die unterhalten sich. Wir beide sehen uns zwar jeden Tag, aber wir arbeiten ja und reden nur absoluten Müll eigentlich.
Ihr seid ja nicht nur Musiker, sondern seid durch euer eigenes Label Monkeytown auch Geschäftsmänner. Ist das schwierig, sich voll und ganz auf die Kunst zu konzentrieren, wenn man nebenbei noch eine Firma führen muss?
G: Wir haben ja noch ein zweites Label, 50Weapons, und dabei brauchen wir deutliche Hilfe. Alleine würden wir das nicht schaffen.
S: Am Anfang von Modeselektor hat Gernot quasi noch die Bookings über die Ladentheke gemacht, als er noch im Hardwax gearbeitet hat. Irgendwann wuchs das alles und wir mussten Dinge aus der Hand geben, um uns noch auf die Essenz von Modeselektor, nämlich Musik konzentrieren zu können. Das funktioniert inzwischen alles wie ein Getriebe, alle arbeiten zusammen und füreinander.
Ich habe mal in einer britischen Musikzeitschrift gelesen: „Modeselektor – this is the sound of Berlin“ – könnt ihr mit dieser „Einordnung“ etwas anfangen?
G: Ich finds auf jeden Fall angemessener, uns als Sound of Berlin zu bezeichnen, als Künstler, die nicht aus Berlin kommen, sondern nur hier arbeiten, weil es hip ist, sich „Berlin“ in den Name zu taggen. Wir sind wirklich sehr authentisch, als krasse Ossis, so sieht’s nämlich aus. Auch wenn wir nicht Hartz-IV beziehen und die Linke wählen. Wir sind echte Wendekinder und mit dem ganzen Technokram groß geworden. Und letztendlich ist das, was wir machen, schon auch unser Soundtrack dazu. Das Monkeyface ist unser Logo und Berlin ist Town, deswegen Monkeytown.
Empfindet ihr eure Musik eher als Musik zum Hören oder zum Tanzen?
S: Beides. Definitiv. Ich glaube, auch, dass man unsere Musik immer hören kann.
Machen Modeselektor also zeitlose Musik?
G: Ja, ich denke schon. Klar, machen wir moderne Musik, aber alleine schon durch den ganzen Background mit Hardwax, ein Plattenladen, der eben zeitlose Musik kauft, hat uns das sehr in diese Richtung geprägt. Das ist auch sicher das, was uns vom amerikanischen Markt unterscheidet. Gerade in der elektronische Szene, in der alles so schnelllebig ist, ist es das, was einen guten Track von einem Übertrack unterscheidet.
Jetzt einmal zu Moderat. Ihr kommt gerade frisch aus dem Studio, was habt ihr da denn zusammengebastelt?
G: Darauf antworte ich mal: Mit was würdest Du antworten, wenn Dich das wer fragen würde?
Vermutlich: Warte bis zum 2. August und höre es Dir dann an.
G: Haha, genau. Also, lasst euch überraschen. Es wird großartig!
Genauso wie der Live Gig am 11. September in Wien?
S: Ja, natürlich. Wer weiß, was alles passieren wird…