Gastkommentar von Philipp Hartberger

Der durchschnittliche Couleurstudent kommt aus gutbürgerlichem Haus, entspringt einem konservativ-klerikalen oder deutschnationalen Umfeld, wünscht sich die Monarchie und/oder den Ständestaat zurück (oder im schlimmsten Fall den erneuten Anschluss an Deutschland), bewegt sich nur im Dunstkreis seiner eigenen Seilschaft (wenn er nicht gerade in Couleur auf den Treppen der Hauptuni bummelt) und sieht den einzigen Nutzen in der Gesellschaft von Frauen als schmuckes Beiwerk bei studentischen Veranstaltungen. Auf seine Bildung oder Ausbildung muss er keinen besonderen Wert legen, da ihm der Platz in der Verbindung auch später einen lukrativen Posten in Politik oder Wirtschaft garantiert. Überholte Traditionen, ein antiquiertes Weltbild und das stupide Auswendiglernen altertümlicher Lieder reichen völlig aus um später überbezahlter Manager, Unternehmensvorstand oder Minister ohne jegliche fachliche Kompetenz zu werden.

#Sarkasmus_ex

So oder so ähnlich ist anscheinend das Bild so mancher ÖH-Fraktion vom Korporations(Un)wesen in Österreich. Dieses Feindbild, so stimmig es auch sein mag, lässt leider die nötige Schärfe und Genauigkeit vermissen, die man von Menschen mit akademischer Bildung eigentlich erwarten könnte. Jeder angehenden Akademikerin und jedem angehenden Akademiker muss doch sofort der feindselige Duktus, fernab jeder Objektivität und Sachlichkeit ins Auge springen, mit dem hier immer wieder gegen alles argumentiert wird, das politisch rechts der eigenen Position ist.

Ich sehe den kritischen Standpunkt, vermisse aber zugleich eine Differenzierung und die nötige Sachlichkeit. Am konkreten Fall, dem angedachten Couleurtrageverbot durch die ÖH der Uni Wien fehlt es zudem an jedwedem demokratischen Bewusstsein im Umgang mit Andersdenkenden. Wäre ich euer Professor und müsste diesen Beschluss beurteilen, würde ich sagen: Kritisch – ja, definitiv; aber argumentativ schwach und nicht sachlich. Die Recherche verlief offenbar äußerst einseitig. Deshalb erfolgte eine äußerst mangelhafte Differenzierung. Von der fragwürdigen Methodik ganz zu schweigen! Gnadenhalber würde ich euch wegen Themenverfehlung nicht beurteilen.

Eine absolute Themenverfehlung ist dieser Beschluss nämlich deshalb, weil 80 Prozent der Studierenden die er trifft, dem christlichen und nicht dem deutschnationalen Lager zuzuordnen sind. In der Aussendung der ÖH Uni Wien vom 28.10. wird das sogar richtiggestellt, aber im gleichen Atemzug wird zugegeben, dass diese ja trotzdem reaktionär und frauenfeindlich sind. Das hat mich verwirrt. Zum einen, weil ich jetzt nicht weiß, ob Rechtsextremismus nach eurer Diktion schlimmer oder weniger schlimm als Frauenfeindlichkeit ist, oder gar mit ihr gleichzusetzen ist und zum anderen, weil ich mich frage, ob die vielen Frauen in gemischten und Frauenverbindungen wissen, dass sie eigentlich frauenfeindlich sind?

#Reminder:2nd_wave_feminism_is_over

Ich habe im Fachbereich Geschichte gelernt, das kritisch zu sein auch bedeutet, den eigenen Standpunkt zu hinterfragen. Seriöses wissenschaftliches Arbeiten setzt voraus, dass man sich mit allen Quellen auseinandersetzt die vorliegen und nicht nur mit jenen, die das gewünschte Ergebnis bringen. Im universitären Bereich bin ich gleichsam der wissenschaftlichen Methodik und der Toleranz gegenüber Andersdenkenden verpflichtet um mit ihnen auf der Basis nachvollziehbarer und sachlicher Argumente in einen produktiven und erkenntnisorientierten Diskurs treten zu können. Universität bedeutet für mich auch gelebte Demokratie. Ich muss daher auch Meinungen zulassen, die nicht der meinen entsprechen.

#Toleranzleben

Spannenderweise finde ich all diese Punkte innerhalb der vier Prinzipien des christlichen Farbstudierendentums wieder und vermisse sie gleichzeitig im Vorgehen der ÖH der Uni Wien. Ich würde mir wünschen, dass ihr in eurer Hochschulpolitik umsetzt, was ihr in eurem Studium lernt und nicht ständig gebetsmühlenartig einfordert, was für die überwiegende Mehrheit der christlichen Farbstudierenden in Österreich eine Selbstverständlichkeit ist: Das Bekenntnis zur Demokratie (Patria), gelebte Nächstenliebe und Toleranz (Religio) und die Bereitschaft lebenslang zu lernen (Sciencia).

#Prinzipien

Dieser Beschluss lässt jedwedes demokratiepolitische Bewusstsein vermissen und rückt euch damit leider genau in das Eck derer, die ihr eigentlich damit treffen wollt. Davon einmal abgesehen, ist es eine Maßnahme gegen ein Symptom und nicht die Ursache. Das wäre, als würde ich die geröteten Augen vom durchzechten Vorabend hinter einer Sonnenbrille verstecken und erwarten, dass der Kater mitverschwindet. Die Lösung kann demnach nicht im Verbot des Tragens von Couleur liegen.  Ein demokratiepolitisch korrekter und nachhaltiger Weg kann nur in einer ehrlichen und tiefgreifenden Auseinandersetzung mit dem Farbstudententum als Ganzes erfolgen. Das impliziert keine unzulässigen Verallgemeinerungen, sondern erfordert eine differenzierte Sicht auf das breite farbstudentische Spektrum. Außerdem erfordert es, die Kontaktaufnahme mit ebendiesen und diese passiert eben nicht über ideologisch motivierte Kampschriften, sondern über den Dialog von Angesicht zu Angesicht.

Ich als ordentlicher Student der Universität Wien fordere die ÖH Uni Wien daher auf ihre Pflicht als Vertretung aller Student_innen wahrzunehmen und deshalb auch den Dialog mit allen zu suchen, niemanden auszugrenzen, dessen Weltbild sich innerhalb rechtsstaatlicher Normen befindet und die gepredigten Grundsätze von Gleichheit und Toleranz auch zu leben. Ich fordere ein Ende der Akademiker_innen unwürdigen Verallgemeinerung und Gleichmachung diametraler Weltbilder und die Zurückführung dieser Debatte auf ein sachliches Niveau.

Ich lade euch daher herzlich auf die Buden Wiens ein, damit ihr erleben könnt, was es bedeutet Couleurstudierender zu sein, damit ihr endlich erkennt, wie sehr ihr euch irrt!

Philipp Hartberger (Jahrgang 1987) ist seit 2005 bei der katholischen Mittelschulverbindung Badenia im MKV. Er studiert Geschichte an der Universität Wien und ist derzeit Forschungspraktikant am Ludwig-Boltzmann-Institut für historische Sozialwissenschaften.

Der veröffentlichte Beitrag gibt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

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