Als Absolvent frisch auf Jobsuche, mitten in der Pandemie? Schlechter könnte das Timing kaum sein. Und wer doch einen Termin fürs Jobinterview zugesteckt bekommt, steht plötzlich vor ungekannten Problemen. Die Zahl der potenziellen Böcke, die man beim Bewerbungsgespräch vor dem Bildschirm schießen kann, ist nämlich riesig.

Österreichs Unternehmen befinden sich im Krisenmodus. Nutzfahrzeughersteller MAN kündigte an, das Werk in Steyr endgültig zuzusperren, Bling-Bling-Konzern Swarowski ein tiefgreifendes Sparprogramm. Stahlkonzern Voestalpine streicht in der Steiermark Stellen, Bierbrauer Brau Union geht auf Sparkurs. Seilbahnbauer Doppelmayr muss Jobs kürzen, Papphersteller Mayr-Melnhof, die Casinos Austria und die Sacher-Hotels ebenfalls. Technikkonzern ATB meldete gar Insolvenz an. Als Erfolgskapitel geht das Corona-Jahr 2020 nicht in die Wirtschaftsgeschichte ein. Vor allem Tourismus und Handel leiden noch immer unter Lockdowns und Virusängsten, in diesen beiden Branchen stieg die Arbeitslosigkeit in Österreich am stärksten.

Freie Stellen wachsen wieder

Für Absolventen und Berufseinsteiger sind das denkbar schlechte Rahmenbedingungen. Tatsächlich sind es insbesondere junge Männer zwischen 20 und 24, die in der Pandemie ihren Job verloren oder erst gar keinen gefunden haben, so besagen es die offiziellen Statistiken.

„Die Unsicherheit ist natürlich sehr groß, seit März 2020 sehr gestiegen“, sagt Silke Kaufmann. Sie berät an der Universität Wien als Teamleiterin vom Karriereservice Uniport die Studierenden zum Berufseinstieg. Die Berater haben jedes Jahr ein festgelegtes Kontingent an Beratungsgesprächen – und es im vergangenen wegen der hohen Nachfrage überschritten. „Die Ungewissheit hat zugenommen. Gerade im Kunst- und Kulturbereich scheint es manchmal fast unmöglich, eine Arbeitsstelle zu bekommen“, so Kaufmann.

Nach Angaben der Jobbörse Stepstone dampfte Corona die Zahl der Stellenanzeigen in Marketing, PR und Werbung am heftigsten ein, während Naturwissenschaftler noch am glimpflichsten durch die Krise kamen.

Doch flackert das Licht am Ende des Tunnels immer kräftiger auf. Wenn die Impfkampagne Fahrt aufnimmt, könnte 2021 ein Rebound-Jahr für die heimische Wirtschaft werden – und auch Studierenden den Jobeinstieg erleichtern. Immerhin steigt seit Ende 2020 die Zahl der offenen Stellen laut Hays-Fachkräfteindex wieder, vor allem für Talente im Finanzbereich, in Vertrieb und Marketing, für IT-Profis und Ingenieure.

„Bewerber können zeigen, ob sie IT-affin sind“

Die Stellensuche ist eine Herausforderung – auf mehreren Ebenen. Viele Unternehmen haben ihren Bewerbungsablauf – gezwungenermaßen – umgekrempelt. Manche schieben ein Telefonat, Zoom-Interview oder Online-Test vor das eigentliche Bewerbungsgespräch am Firmensitz.

Andere haben komplett auf Videointerview umgestellt. So wie Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim, das am Standort Wien Medikamente gegen Krebs und neue biologische Wirkstoffe erforscht. Die Jobinterviews dauern ungefähr eine Stunde, die Fahrt in die Doktor-Boehringer-Gasse nach Wien-Meidling können sich Bewerber sparen. Das Personalbüro von Boehringer empfindet die virtuellen Gespräche nicht als notwendiges Übel, sondern als gleichwertigen Ersatz.

Zum Einen profitiere das Unternehmen von einer leichteren Terminplanung. Zum Anderen „können Bewerber gleich von Anfang an zeigen, ob sie IT-affin sind“, sagt HR-Managerin Jovanka Dragicevic von Boehringer. In einem Präsenzgespräch sei das nicht zu erkennen. Doch fangen die Probleme für viele Bewerber genau hier an. Wie überzeugen sie vor der Kamera?

Vor der Kamera überzeugen

„Zum Beispiel ist es wichtig, was Bewerber tragen. Auch an den Körperteilen, die nicht gesehen werden“, meint Silke Kaufmann von Uniport. „Weil es einfach mit uns was macht. Wir haben eine andere Haltung, je nachdem, ob wir eine Jogginghose oder eine Stoffhose tragen.“

Sie empfiehlt, sich so zu kleiden, wie man es auch beim Bewerbungsgespräch vor Ort getan hätte. Dann die Kamera einstellen. Am besten so, dass der Bildausschnitt nicht nur das Gesicht zeigt, sondern etwas größer ist. Zu den Basics gehöre es für Bewerber, vor dem Gespräch das jeweilige Online-Tool einmal auszuprobieren, den Laptop-Akku aufzuladen, das Mikro einzuschalten, das Handy auf lautlos zu stellen und möglichst weit weg zu legen und sich ein schön ruhiges Plätzchen auszusuchen. Je weniger Stör- und Lärmquellen im Hintergrund, desto besser.

Apropos Hintergrund: Den müsse man schon auch beachten. Der Personaler soll schließlich keinen falschen Eindruck gewinnen, indem er durch die Kamera auf ein völlig vermülltes Zimmer oder Porno-DVDs im Regal schauen muss. „Ein Bild von Bob Marley mit Tüte an der Wand bietet sich NICHT an“, so Kaufmann mit einem Augenzwinkern.

Nicht die Tür aufmachen!

Fettnäpfchen gibt es viele, auch während des Gesprächs trampelt man nur allzu leicht in eines hinein. „Nicht zur Tür gehen, wenn es klingelt“, rät Karriereberaterin Kaufmann. Auch dürfe die Gestik im digitalen Raum ruhig moderater ausfallen als in einem Präsenzgespräch. „Immer wieder Blickkontakt herstellen, indem ich in die Kamera schaue“, betont sie. Und noch ein Tipp: „Bei schlechtem Internet am Anfang klären, was gemacht wird, wenn die Leitung unterbricht.“

Wer das alles erfolgreich hinter sich gebracht hat, ist um eine digitale Erfahrung reicher. Die kann nur hilfreich sein. Denn auf den Zuschlag für den Job folgt das Onboarding, also die Einführung ins Unternehmen. Heutzutage natürlich online.

Tipp 1: Eignungstest üben

Online-Tests erfreuen sich wachsender Beliebtheit, nicht erst seit Anbeginn von Corona. Am Bildschirm müssen Bewerber vorab psychologische Tests oder Potenzialanalysen absolvieren, um in den Recall zu kommen. Oder einen IQ-Test, der einen angesichts eines knackigen Zeitlimits ganz schön ins Schwitzen bringen kann.

Zu den größeren Arbeitgebern, die auf Online-Tests setzen, zählen zum Beispiel Brausehersteller Red Bull, die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) oder der Arbeitsmarktservice AMS. Auch mittelständische und kleinere Unternehmen nutzen die Tools mittlerweile.

Für Bewerber ein echter Stresstest. Aber einer, auf den sie sich vorbereiten können. Beispiel Fielmann: Die Optikerkette betreibt 38 Filialen in Österreich und bittet Bewerber, im ersten Schritt ihre Bewerbung einzureichen und im zweiten einen Online-Test zu absolvieren. Wer den Test meistert, wird zum Vorstellungsgespräch eingeladen.

Beim Test müssen Teilnehmer zum Beispiel Datenbankeinträge vergleichen und jene Einträge identifizieren, die nicht identisch sind. Einstein muss man dafür nicht sein, aber aufmerksam und hochkonzentriert. Ins Netz hat die Brillenkette vor Kurzem einen Test-Trainer gestellt. Interessierte können die digitale Prüfung vorab durchspielen und ihre Nervosität möglicherweise entscheidend senken.

Tipp 2: Profile pimpen

Wo persönliche Kontakte ausbleiben, gewinnen virtuelle an Wert. Die Pflege der Social-Media-Accounts ist für Absolventen daher ein wichtiger Baustein, das war sie übrigens auch schon vor Corona.

Das Business-Netzwerk Xing ist auf den deutschsprachigen Markt ausgerichtet, verzeichnet mittlerweile 19 Millionen Mitglieder in Österreich, Deutschland und der Schweiz. US-Anbieter Linkedin nutzen Berufstätige verstärkt, um sich durch eigene Beiträge oder Beteiligungen an Diskussionen als Experten zu profilieren. Studierende und Absolventen können das auch.

Überdies untermauern sie mit einem aktuellen und aussagekräftigen Profil, das die eigenen Stärken betont, ihre Ambitionen. Nur widersprechen sollten sich die persönlichen Angaben im Business-Netzwerk und im Lebenslauf, das man für die Bewerbung verschickt hatte, nicht. Münchhausen-Alarm!

Text: Sebastian Wolking

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