2004 wurde Max Mutzke durch seine Teilnahme am Eurovision Song Contest fast über Nacht berühmt. Vor seinem Konzert im Wiener WUK hat Max mit uns über die spannenden und aufwändige Entstehungsgeschichte seines 7. Studioalbums „Colors“ gesprochen und erklärt, warum Konzerte manchmal einem Nahkampf ähneln.

Wie ist die Idee entstanden, ein HipHop-Album im Stil der 60er und 70er Jahre zu machen?

Wir hatten ein Treffen zwischen Künstler, Management und Plattenfirma, wo wir besprochen haben, wie das nächste Album aussehen könnte. Bei mir ist das eine elementare Frage, weil meine Alben alle sehr unterschiedlich sind. Das Meeting war ziemlich zäh und als wir danach schon beim Anziehen waren, sagt Alexander, mein Manager: „Hey, irgendwann könnte man doch auch mal alte HipHop-Tracks nehmen und sie zurück zum Soul bringen.“ – ein Geistesblitz. Auf einmal sprudelten die Ideen so raus. Ich bin dann von dem Meeting nach Hause gefahren, weil alle weg mussten. Dann habe ich bei meinem Management angerufen und gesagt: „Ey, hast du gemerkt, dass die zwei Stunden im Meeting nicht ansatzweise so viel Input und Output gebracht haben wie die letzten fünf Minuten beim Jackeanziehen?“ Da war klar: wir machen das als nächstes Album. Wir haben so gebrannt bei der Idee, uns sind so viele Sachen eingefallen, es hat so einen Spaß gemacht, darüber nachzudenken.

Du bist fast wissenschaftlich an das Album herangegangen und hast sogar mit einer Musikprofessorin gearbeitet. Wie war der Entstehungsprozess?

Zu Beginn stand noch nicht fest, nach welchen Kriterien wir entscheiden. Erst dachten wir an etwas Cooles von Eminem oder Puff Daddy. Aber dann wurde uns klar, dass wir nicht so plakativ sein können. Außerdem haben wir gemerkt, es bringt uns nichts, solche Tracks zu nehmen, weil sie keine Hook haben, mit der man diesen einen Moment schaffen kann: Man erkennt den Song nicht, weil er gesungen ist, dann kommt die Hook und alle sagen: „Klar, das ist ‚I Got 5 On It’“. Dann ging es mit dem Texte kürzen weiter. Erst dachte ich mir, wir nehmen nur die erste Strophe, bis mir auffiel, dass oft erst später die Botschaft kommt und die Story ansonsten nicht erzählt ist. Dazu brauchten wir Julie Silvera, eine Musikprofessorin aus Florida. Sie ist Afroamerikanerin, versteht also die Subkultur von HipHop. Wir haben die Texte seziert und überlegt: Was ist die Botschaft des Songs? Was ist der wichtige Teil, die Essenz des Songs, wo liegen Humor und Schreibstil? Da gab es ein paar Hürden. Zum Beispiel sagen Afroamerikaner schnell das Wort „Nigger“ und meinen damit „Brother“, also „Kollege“. Solche Worte mussten durch „Fellas“ und „Brothers“ ersetzt werden. Als Weißer ist es gefährlich Soul-Musik zu machen, die schwarz ist, und HipHop-Tracks zu nehmen, die überwiegend von Afroamerikanern geprägt und erfunden wurden. Da muss man mehr machen als nur Texte übersetzen. Ich wollte das Album zum Beispiel „bunt“ nennen, weil es sehr farbenreich ist und wir auch eine große farbenreiche Truppe auf der Bühne sind, bei der viele Nationen vertreten sind. Das ist das, was uns so unendlich reich und die Musik so wertvoll macht. „Bunt“ heißt übersetzt „colored“. Das bedeutet in Amerika aber „farbig“ und meint Ethnien. Wenn du dich als Weißer dieser Musik bedienst, sie auch noch auf afroamerikanische Musik umbaust und die dann „colored“ nennst, ist das unendlich naiv, bescheuert und auch ein bisschen selbstverliebt. Man musste bis zuletzt sehr aufpassen, was man macht. Dieses Projekt war ein richtiger Lebensabschnitt.

Hast du Feedback bekommen von Rappern oder Afroamerikanern, ob ihr die Herausforderung gut gelöst habt?

Ja, wir hatten tatsächlich das Glück. Ich wollte gerne mal ein Album machen, das so klingt wie Al Green mit „Let’s Stay Together“. Ich fand es schade, dass man heute nicht mehr so warm, weich, sexy, entspannt, zurückhaltend und trotzdem so reduziert produziert. Ich wollte ein Album machen, das mit analogen Instrumenten analog produziert ist. Kein Computer, sondern ein großes analoges Mischpult. Als das Album fertig war wollten wir, dass das Album jemand mischt, der uns nicht klingen lässt wie Justin Bieber oder Justin Timberlake, weil das viel zu modern ist. Natürlich wollen wir auch nicht klingen wie ein Album aus den 60ern – das ist zu alt und wir sind keine Opas. Wir wollten eigentlich so klingen wie zum Beispiel das letzte Al Green-Album oder wie D’Angelo – ein unfassbarer Soul-Künstler, der mit seinem letzten Album sechs Grammys gewonnen hat. In Deutschland gibt es niemanden, der für diese Musik steht und es klingt alles ganz schnell nach Mark Forster oder Bourani. Das wollten wir nicht, weil es der Musik nicht gerecht würde und es hätte auf den letzten Metern alles kaputt gemacht. Dann haben wir Russell Elevado angeschrieben. Er hat alles, was wir gut fanden, gemischt und ist weltweit einer der wenigen, der „out the box“ mischt. Er hat das Album gemischt und gemastert und dem Ganzen die Krone aufgesetzt. Damit kamen wir dann in Berührung mit Leuten, die in der Szene sind und unsere Sachen total abgefeiert haben. Wir hatten noch eine andere Begegnung: Justin Timberlake hat in Hamburg gespielt und es gibt Connections zwischen seiner und unserer Band. Dann kamen die ganzen Jungs zu uns ins Studio, haben Musik gemacht und unsere Sachen gehört. Die waren total geflasht:„Krass, das sind so Milchgesichter aus Deutschland, die eine Musik machen, die wir aus Amerika eigentlich exportieren“.

Ihr habt etwa ein Jahr am Album gearbeitet und einen großen Aufwand betrieben. Kannst du uns die Gefühle beschreiben die man hat, wenn man die Songs erstmals einem Publikum live präsentiert?

Das ist krass. Die Anspannung ist groß, weil es eine viel größere Produktion ist und wir eine größere Crew sind. Auch die Verantwortung der Musiker ist größer, weil jeder genau wissen muss, was er macht. Es dauert mindestens vier, fünf Shows, bis wir uns auf der Bühne entspannen können. Erst vorgestern hatten wir in München eine Show – das Publikum fand’s mega, wir fanden’s eine Katastrophe. Es sind ganz viele Sachen schiefgegangen: mir ist zum ersten Mal im Leben ein Mikrofon aus der Hand gefallen, zusätzlich zu den ganzen anderen Dingen, die nicht funktioniert haben. Sogar technische Geräte sind ausgefallen, weil die Bassfrequenzen so stark waren, dass sich Kabel abgelöst haben. Bis der Schaden behoben war, war schon die Hälfte vom Konzert rum. Wir haben so viele Fehler gemacht und es sind so viele Sachen passiert, die wir nicht beeinflussen konnten, dass wir gemerkt haben, wir können ganz entspannt sein, denn die Resonanz vom Publikum war trotzdem der Hammer. Es kann in unseren Ohren de facto schlecht klingen, allerdings ist die Energie von jedem Einzelnen so hoch, dass es kein Desaster wird, sondern es ist dann einfach nicht perfekt. Es kriegt dann meistens einen anderen Touch: es wird dirty, weil man wütend wird. Es war fast wie ein Nahkampf auf der Bühne. Gestern sind wir dann ganz entspannt auf die Bühne und die Show war wieder phänomenal. Heute in Wien werden wir wahrscheinlich genauso entspannt sein. Wir sind aber total traurig, dass wir in Wien keinen freien Tag haben.

Aber ihr wart schon öfter hier, daher kennt ihr die Stadt zumindest schon?

Ich kenne und liebe Wien und lustigerweise sagen es auch alle anderen: Wien wäre die deutsche Lieblingsstadt, wenn sie deutsch wäre. Wien ist eine so unendlich schöne Stadt, mit dem Donaukanal und der ganzen Architektur. Wenn du hier durch die Straßen gehst, die ganzen Geschäfte – das ist geil. Es ist so unheimlich südlich, wir hatten bei einer Tour mal ein Phänomen: wir waren im Februar oder Ende Januar hier und es hatte 24 Grad. Das war total abgefahren. Wir sind im T-Shirt draußen rumgelaufen, das war einfach tierisch.

Apropos Österreich. Die österreichische Musikszene boomt ziemlich stark in den letzten Jahren. Fällt dir spontan jemand ein, den du selbst hörst?

Vom Namen her nicht, aber wie heißen diese Jungs, die…ähm. Ich habe letztens so Jungs gesehen (überlegt). Das sind junge Typen, die in Richtung Falco gehen, das war wahnsinnig gut, aber sonst ist mir die österreichische Musikszene nicht so bekannt.

Das ist wahrscheinlich nicht deine Musikrichtung?

Mir ist auch die deutsche Musikszene nicht ganz bekannt. Das ist ein Phänomen bei Musikern, wenn man selbst viel auf der Bühne steht. Meine musikalischen Inspirationen liegen fast nie bei deutschen oder europäischen Musikern – es gibt sie natürlich schon, aber gerade bei deutschen Musikern, die im Rock-, Pop-, und Mainstream-Geschäft sind, gibt es nichts, was mich inspiriert. Da kann man halt sagen, der macht gute Sachen, der ist handwerklich begabt oder es gefällt einem eben nicht. In Amerika gibt es extrem viele Leute, von Anderson .Paak über Frank Ocean, um neue Sachen zu nennen, aber auch Justin Timberlake-Sachen, die tierisch gut sind. Es hat einen anderen Swag, es ist anders im Timing, es ist ein anderes Verständnis für Sexiness. Es ist nicht weniger oder mehr sexy, es ist eine andere Art. Die beleuchten es von einer anderen Seite, das gefällt mir einfach mehr.

Du hast dir vor ein paar Jahren einen alten Steyr-12M18-Bus aus österreichischen Militärbeständen zum Restaurieren gekauft, um eine Weltreise zu machen. Ist die Restauration mittlerweile erledigt?

Nein, tatsächlich hatte der jetzt zwei Jahre Baustopp. Im April sind es fünf Jahre, seit ich begonnen hab daran zu bauen. Am Anfang sind wir extrem schnell vorwärts gekommen. Wir haben wie bei einem Lego-Auto alle Einzelteile auseinander genommen um zu sehen, ob alles perfekt ist. Nachdem es lackiert wurde haben wir es wieder zusammengesetzt. Der Bus steht also sehr schön da, er ist aber noch nicht TÜV-fertig und braucht noch den Wohnkoffer hinten drauf. Vor drei Wochen haben wir ein Treffen gehabt, wo wir genau besprochen haben, wie wir den jetzt fertigmachen. Es gibt jetzt Ansätze, wie wir ihn in diesem Jahr fertig kriegen wollen. Es muss jetzt noch einmal lackiert werden und dann kriegt der LKW TÜV. Es ist aber halt so ein unglaublich schönes Auto. Ich bin mal gespannt, ob wir vorwärtskommen. Ich hab halt alles selber gemacht, mit meinem Bruder zusammen. Und ich muss jetzt sagen, es gibt Sachen, die will ich nicht unbedingt selber machen. Es macht zwar Spaß, aber es kostet so viel Zeit, und es geht nicht vorwärts. Wenn ich dann wieder ein Monat auf Tour bin,  zurück komme und sehe, dass der Schraubenzieher immer noch an der Stelle liegt, wo ich ihn hingelegt habe, dass das Ding nicht einen Millimeter bewegt wurde – das ist demotivierend. Ich brauche jetzt jemanden, der mit mir gemeinsam baut und ich muss ein paar Sachen machen lassen, damit ich wieder so Bock kriegte. Aber das ist ein großer Plan und tatsächlich in meinem Privatleben ein großes Thema.

Und wo geht es dann als erstes hin?

Für mich ist ein Wohnmobil, gerade so ein Allradfahrzeug, gar nicht mal nur da um die Wüste und die Tundra abzufahren. Ich besuche damit Familienfeste mit meiner Familie, wir fahren damit übers Wochenende mal schnell weg – wir leben ja im Schwarzwald, da ist das Elsass ist nicht weit, Österreich ist nicht weit, Liechtenstein ist direkt um die Ecke, wir sind direkt an der Schweizer Grenze, die Alpen sind also nur anderthalb Stunden. Das ist dann so, dass man freitags sagt: k“omm, steigt mal alle ein, wir fahren heute aufn Berg und pennen heute Nacht alle da oben. Am Montag fahr ich euch mit dem LKW in die Schule, nehmt den Schulranzen mit“. Das ist der Plan. Außerdem spiele ich auf vielen Festivals und ich hab voll Bock mit dem Steyr als Nightliner hinzufahren und das eigene Hotelzimmer dabei zu haben. Das nächste wird dann sein, dass man die ersten Urlaube macht. Wir fahren oft nach Italien oder Kroatien, Korsika. Aber wie gesagt, ich muss jetzt einfach mehr Geld in die Hand nehmen und es machen lassen, anstatt alles selbst zu machen. Ist natürlich cool, man kennt sich mit dem Auto aus, die grundlegenden Sachen haben wir alle selbst gemacht, also der LKW macht einem keine Angst, wenn mal was kaputt geht.

Dann eine gute Reise und vielen Dank für das Interview!

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